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In einer Zeit, in der wir Europa als "schwierig, gar lästig" empfänden, gelte es neue Lösungen zu suchen: "Da sind Architekten gefragt" resümierte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert humorig in seinem Gastvortrag beim Sommerlichen Empfang am 8. Juli 2015 in Stuttgart.
Vorausgegangen war eine leidenschaftliche Rede über den europäischen Integrationsprozess. "Der eigentliche politische Effekt der Globalisierung" sei "der Verlust von nationalstaatlicher Souveränität". Hierauf angemessen zu reagieren, gebe es nur einen intelligenten Weg: die Souveränität zu teilen, um wenigstens einen Rest von ihr zu bewahren.
Aufhänger seiner Erörterungen war natürlich Griechenland. Es habe für ihn "einen beachtlichen Reiz, in dem virtuellen Bermudadreieck Berlin-Brüssel-Athen zwei Stunden in Stuttgart zuzubringen, ein ruhiger und beschaulicher Ort im Auge eines hoffentlich bald vorbeiziehenden Orkans". Er beschwor die inhaltliche Nähe von Architektur und Politik und verwies auf die Nobilitierung, die eine Bezeichnung wie "Architekt der Einheit Europas" bedeute. Alle repräsentativen Bauten seien politisch, zitierte der CDU-Mann Exbundeskanzler Helmut Schmidt und konnte mit ihm wieder den Bogen in die Ägäis schlagen: Das gesamte Ersparte des vorchristlichen Attischen Seebunds habe Perikles dazu verwandt, die Akropolis zu errichten. Manch Zuhörer mag sich da im Stillen gedacht haben, dass mit Blick auf die europäische Kulturgeschichte besagtes Geld doch eigentlich recht klug investiert war.
Der Festredner zeigte weitere Parallelen auf: Architekten wie Politiker hätten "jeweils Lebensräume zu gestalten für Menschen, die damit erhebliche Erwartungen verbinden" und "am Ende sind nie alle zufrieden". Deshalb stelle es für ihn, Lammert, einen der seltenen Glücksmomente seiner politischen Laufbahn dar, eine Danksagung von Markus Müller bekommen zu haben; für gewöhnlich überreiche man ihm bei ähnlichen Anlässen immer nur eine lange Liste von Beschwerden.
Denn der Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg hatte in seinen einleitenden Worten dafür gedankt, dass die Regierungsfraktionen im Bundestag bei den erneuten Streitigkeiten um die HOAI "einem von der EU angestrebten Vertragsverletzungsverfahren einen differenzierten und klaren gemeinsamen Antrag entgegengesetzt haben. [...] Darin wurde die Bundesregierung aufgefordert, wesentliche Eckpfeiler unserer bürgerschaftlichen Gesellschaft, nämlich Eigenverantwortlichkeit und Qualitätsorientierung, nicht auf dem Altar ökonomistischer Vereinheitlichungshuberei zu opfern." Die Wortwahl rief bei vielen Zuhörern - mit rund 600 Gästen erreichte der Sommerliche Empfang diesmal eine Rekordmarke - begeisterte Zustimmung hervor.
Auch für das Thema Wohnungsbau konnte sich Müller des Interesses der Anwesenden sicher sein. Denn brennende Herausforderungen finden sich auch in Baden-Württemberg, wozu die Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen zählt. "Wir sehen uns als Architektenkammer schon aufgrund unserer beruflichen Aufgabenstellung in einer Reihe mit vielen Bürgerinnen und Bürgern, die ein menschliches Antlitz unserer Gesellschaft zeichnen wollen." Es gelte, "über die enormen Anstrengungen bei der Akut-Unterbringung hinaus an Konzepten für dauerhaft tragfähige Modelle im bezahlbaren Wohnungsbau" zu arbeiten. Der Kammerpräsident freute sich, auf viele Übereinstimmungen mit der Landesregierung und der Wohnungswirtschaft verweisen zu können. Und auch auf Bundesebene sei mit dem Bündnis für bezahlbaren Wohnraum ein guter erster Schritt zu verzeichnen, "dennoch, lieber Herr Prof. Dr. Lammert, muss in Bund und Land über neue Fördermöglichkeiten nachgedacht werden. Es wäre in jedem Fall gut angelegtes Geld." Müller appellierte, Wohnraum zu schaffen, der die Grundlage für "ein gutes soziales Miteinander" schaffe. Im Übrigen stelle er auch einen zunehmend wichtigen Standortfaktor dar.
"Wenn wir wieder mal übers Geld reden..." Das Stichwort Finanzen war natürlich präsent in Lammerts Rede, allerdings ausschließlich mit Blick über die Staatsgrenzen. Doch selbst wenn der zweithöchste Mann Deutschlands an keiner Stelle einen direkten Bezug zur baden-württembergischen (Architekten-)Situation herstellte, wurde jedem Zuhörer einmal mehr klar, wie eng Regionales mit Überregionalem auf unserem Kontinent verflochten ist. Dessen historische und politische Entwicklungen evozierte der prominente Gast in eindringlichen Bildern - eine interessante Lehrstunde in Sachen Europa.
Von Bundespräsident Gauck wiederum stammten die Worte, mit denen Markus Müller den offiziellen Teil der Veranstaltung ausklingen ließ: Architektur könne, "wie beim Münchener Olympiadach von Frei Otto, das ideale Selbstgefühl eines ganzen Landes zum Ausdruck bringen. So wie dieses Dach würden wir unseren Staat und unser Land gerne sehen: souverän und schwungvoll, behütend und transparent, sicher gegründet und voller Leichtigkeit." Wer den vorhergehenden Ausführungen aufmerksam gefolgt war, hat das Zitat vielleicht mit einer gewissen Wehmut quittiert. Denn mit der Souveränität ist es bei uns ja wohl nicht mehr weit her. Ganz anders schien es jedoch um den Schwung bestellt zu sein - mit ihm begaben sich die Gäste ans Buffet und in angeregte Gespräche.
Am Rande des Sommerlichen Empfangs hat Beate Metschies, SWR Landesschau, die Gelegenheit wahrgenommen, mit dem Bundestagspräsidenten ein Kurzinterview durchzuführen. Dabei ging es auch um sein persönliches Verhältnis zu Baden-Württemberg.