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Aufgezeichnet von Ruth Schagemann
Trotz oder gerade wegen der im allgemeinen guten Konjunkturlage bereitet der Mangel an Fachkräften der Wirtschaft und der Politik große Sorgen. Die Architekturbüros in Baden- Württemberg sind ebenfalls stark betroffen. Pilar Gordillo (Portugal) und Alejandra Padilla Gonzalez (Mexiko) haben sich entschieden, in baden-württembergischen Architekturbüros zu arbeiten. Beide sind sich in Stuttgart im Sprachkurs "Deutsch für Architekten" zum ersten Mal begegnet.
Pilar Gordillo: Wann hast Du Dich eigentlich entschieden, in Baden-Württemberg eine Arbeitsstelle zu suchen? Bei mir hat sich der erste Schritt bereits im Studium angedeutet. Mit ERASMUS konnte ich den Sprung nach Baden- Württemberg wagen. Ich weiß, dass es ein solches Programm in Mexiko nicht gibt.
Alejandra Padilla Gonzalez: Stimmt, für mich war es ein richtiges finanzielles Wagnis. Ich habe ähnlich wie Du meine Auslandserfahrungen während des Studiums gesammelt. Ich war jeweils ein Jahr in Spanien und Portugal. Der Grund, nach Deutschland zu kommen, war die Liebe. Mir war aber wichtig, mein fünfjähriges Architekturstudium in Mexiko zu beenden. Das war im Nachhinein die richtige Entscheidung, weil mein Abschluss in Baden- Württemberg von der Architektenkammer als gleichwertig anerkannt wurde, und ich sofort in die AiP/SiP-Zeit einsteigen konnte.
PG: Ich finde das sehr romantisch, dass Du Deinem Herzen nach Deutschland gefolgt bist. Meinen Master habe ich in Portugal gemacht. Das war wie bei Dir die richtige Entscheidung. Da ich Europäerin bin und einen europäischen Abschluss habe, war der Anerkennungsprozess sicherlich etwas einfacher.
APG: Ja, insgesamt waren die Grundbedingungen für meine Jobsuche bestimmt schwieriger. Mir wurde in Mexiko ein Visum als Arbeitssuchende ausgestellt. Ich hatte effektiv sechs Monate Zeit, um mir in Deutschland eine Arbeit zu suchen. Ich durfte auch nicht irgendeinen Job annehmen, sondern nur einen Job, der zu meinem Abschluss passt und ich musste einen unbefristeten Arbeitsvertrag vorlegen. Wenn es nicht geklappt hätte, hätte ich zurück nach Mexiko fliegen müssen, um dann wieder für einen neuen Anlauf sechs Monate zu warten.
PG: Ich bin so froh, dass ich Deutsch konnte, als ich hier ankam. In Portugal musste ich für das ERASMUS Programm Deutsch auf A1 Niveau lernen.
APG: Erinnere mich bitte nicht daran! Ich konnte kein Deutsch. Das erste, was ich gemacht habe, war, mich zum Deutschkurs B1 anzumelden. Aber Du weißt, B1 reicht gerade für eine Bestellung im Restaurant. Bei den Bewerbungsschreiben konnte mir glücklicherweise mein Partner helfen. Ich habe aber immer ehrlich reingeschrieben, wie es um meine Deutschkenntnisse steht. Meine Projektmappe habe ich auf Englisch eingereicht. Ich habe einfach darauf vertraut, dass das mit der Sprache mit der Zeit noch besser wird.
PG: Bei meinem Bewerbungsschreiben haben mir meine deutschen Freunde geholfen und die Mappe war wie bei Dir auf Englisch. Meine jetzige Arbeit habe ich wirklich sehr schnell gefunden. Auf zehn Bewerbungen hatte ich drei Vorstellungsgespräche und daraus hat sich dann eine Zusage ergeben. Es war auch mein Favorit. Ich hatte mir eine TOP 10 Liste der Büros gemacht und meine Wunschbüros mit Hilfe von Googlemaps und den Internetauftritten der Büros recherchiert. Für mich waren die Homepages der Architekturbüros so etwas wie Visitenkarten. International aufgestellte Büros waren interessant, die Teams in denen man dort arbeitet, sind größer. Ich habe recherchiert, ob die Büros gerade Wettbewerbe gewonnen hatten und wie ihre Mitarbeiter auf der Homepage heißen. Je mehr ausländische Namen, desto besser (lacht). Dann ging es gleich los, ich habe mich initiativ bei den Büros beworben.
APG: Ich war wie Du sehr überrascht, wie schnell ich eine Stelle gefunden habe. Zehn Bewerbungen hatte ich verschickt, überwiegend auf Stellenanzeigen, und zwei Bewerbungsgespräche hatte ich bereits nach zwei Wochen. Beide Büros hätten mich genommen. In einem Büro hatte ich die Möglichkeit in Teilzeit anzufangen, um parallel noch einen Deutschintensivkurs zu belegen und dann im zweiten Schritt in Vollzeit zu arbeiten. Das andere Büro wäre dafür von der Struktur zu klein gewesen. Ich habe mich für den Einstieg in Teilzeit entschieden. Mein Deutsch zu verbessern war mir wirklich sehr wichtig. Im Büro wird hauptsächlich Deutsch gesprochen. Das finde ich richtig gut. Nur so habe ich die Chance, die Sprache richtig zu lernen.
PG: Du hast recht, das sind auch meine Erfahrungen. Die Sprache ist so wichtig. Es geht schon los, wenn Du etwas im Büro recherchieren musst. Die Sprachkenntnis hat meiner Meinung nach einen direkten Einfluss auf den beruflichen Erfolg. Kannst Du die Sprache, dann kannst Du Dich viel schneller entwickeln. Die inhaltlichen Lernprozesse sind einfacher und gehen schneller. Du kannst viel lockerer im Smalltalk sein. Das merkt man besonders stark am Telefon. Mir ist es am Anfang sehr schwergefallen, meinen Humor zum Ausdruck zu bringen. Und Du weißt, der subtile Humor und Freundlichkeit sind ein echter Eisbrecher am Telefon.
APG: Bist Du viel am Telefon?
PG: Ich habe das Telefon am Anfang nur aus der Entfernung gesehen (lacht). Während der ERASMUS-Zeit habe ich anderthalb Jahre nur Wettbewerbe gemacht. Das war für mich ein guter Einstieg. Es gibt noch nicht so viele Normen und technische Regeln, die ich anwenden musste. Ich konnte über meine Zeichnungen Geschichten erzählen. Natürlich habe ich auch viel Modell gebaut und die Pläne für die Abgaben vorbereitet. Das Entwerfen haben wir immer im Team gemacht. Da ist es wirklich schwierig, seine Autonomie zu haben. Bei meiner Bewerbung als AiP habe ich darauf geachtet ein breiteres Arbeitsspektrum abdecken zu können. Ich habe viel Zeit darauf verwendet, meine Top 10 Liste zusammenzustellen. Das Büro und ich sollten schließlich gut zusammenpassen. Bei unserem letzten Treffen hast Du berichtet, dass Du Ausschreibungen im Büro machst? Wahnsinn. Das ist ja schon für einen Deutschen sehr schwer.
APG: In den letzten anderthalb Jahren habe ich viel in der Entwurfsplanung und in der Genehmigungs- und Ausführungsplanung gemacht. Irgendwann hat mich meine Chefin gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, eine Ausschreibung zu machen. Ich konnte es mir zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen. Da kann so viel schiefgehen, wenn Fehler eingebaut werden. Ich habe mich aber über das Vertrauen gefreut und ja gesagt. Meine Chefin hat mir aber auch ausdrücklich gesagt, dass ich unterstützt werde. Ich habe das dann tatsächlich geschafft. Ich bin echt ein wenig stolz auf mich. Parallel habe ich den IFBau-Kurs "Ausschreibung für junge Architekten" mitgemacht, den mir mein Arbeitgeber gezahlt hat. Das war super hilfreich. Ich glaube, auch eine Erleichterung für meine Chefin und meine Kollegen und Kolleginnen. Viele Fragen haben sich schon im Kurs geklärt. Ich muss aber sagen, dass ich eine phantastische Unterstützung im Büro hatte. Jetzt bin ich gerade viel auf einer unserer großen Baustellen tätig.
PG: Ich finde, da kannst Du zu Recht stolz auf Dich sein. Für mich ist es eine echtes Glück, hier in Stuttgart arbeiten zu können. Meine Wohnungssuche war deutlich schwieriger als die Suche nach einer Arbeitsstelle. Ich habe über sechs Monate gebraucht, um eine passende Wohnung zu finden. Ich habe überall nach Anzeigen Ausschau gehalten. In Zeitungen, Supermärkten, an der Uni. Dabei habe ich einiges erlebt. Von Wohnungen, die Du niemanden zumuten kannst, bis zu Vermietern, die einfach wortlos auflegen, wenn sie hören, dass Du einen Akzent hast.
APG: Durch meinen deutschen Partner hatte ich diese Probleme glücklicherweise nicht, aber einfach war es auch für uns nicht. Woran ich mich gewöhnen musste, war die natürliche Zurückhaltung der Deutschen. Aus Mexiko kenne ich das ganz anders. Zum Verabschieden nimmt man sich in den Arm und küsst sich auf die Wangen. Hier kann man sich damit in wirklich peinliche Lagen bringen (lacht). Es wird sehr klar zwischen Arbeit und Freundschaft getrennt. Und was wirklich gut ist, man hat den Eindruck, alle sind sehr gut organisiert.
PG: Ja (schmunzelt), das kann ich bestätigen. Selbst das miteinander Wohnen ist sehr organisiert. Es gibt Dinge, die man tun darf, und andere auf gar keinen Fall. Zum Beispiel am Sonntag laut sein. Darauf wirst Du auch hingewiesen. "Hey, das kannst Du so nicht machen." Wobei ich es gut finde. Es zeigt einfach einen Respekt gegenüber den Anderen und dass sich die Menschen verantwortlich fühlen.
APG: Bei mir schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Ich finde das Organisierte auch klasse, aber manchmal wünsche ich mir, dass man auch etwas entspannter miteinander umgehen kann.
PG: Da gebe ich Dir absolut recht (nickt). Ich erlebe, dass Stuttgart eine super Lebensqualität hat. Viel Grün und eine ruhige Atmosphäre. Ich spüre, dass die Stadt von der Industrie und der Technik geprägt ist. Aber das lange draußen Sitzen in den Cafés und einfach die Zeit Zeit sein lassen: das vermisse ich.
Beruf: Architektin im Praktikum
Stationen: Sie ist in Venezuela geboren und zog mit ihrer Familie nach Portugal. In Porto hat sie studiert und ihren Abschluss gemacht. Im Studium hat sie sich gemeinsam mit vielen Studierenden aus ihrem Jahrgang auf das Abenteuer ERASMUS eingelassen. Es ging ihr darum andere Kulturen kennenzulernen und die eigene Personlichkeit weiterzuentwickeln. In Stuttgart konnte sie wahrend ihres Studienpraktikums Erfahrungen in hiesigen Architekturburos sammeln. Sie kehrte nach ihrem Master zuruck nach Deutschland, um in Stuttgart zu arbeiten und Fus zu fassen.
Stationen: Sie ist in Mexiko geboren, hat dort Architektur studiert, ihren Abschluss gemacht und eineinhalb Jahre gearbeitet. Während ihres Studiums hat sie ein Jahr in Spanien studiert. Ihren Erfahrungshorizont im Beruf hat sie in Portugal mit einem einjährigen Studienpraktikum erweitert. Wegen der Liebe hat es sie nach Baden-Württemberg verschlagen: In Tübingen hat sie ihre neue Heimat gefunden. Sie arbeitet in einem Büro in Reutlingen.