Veranstaltungsort für Tagungen, Seminare, Produktpräsentationen oder Pressekonferenzen.
Informationen für private und gewerbliche Bauherrinnen und Bauherren, Städte und Kommunen.
Professor Dr. Ing. Thomas Jocher referierte im Haus der Architekten über das stets aktuelle Thema des Wohnungsbaus. Im Rahmen der Novemberreihe des Bezirks Stuttgart der AKBW sprach der erfolgreich praktizierende Architekt und Direktor des Instituts für Wohnen und Entwerfen der Universität Stuttgart vor vollem Haus. Sein Thema lautete „Die unendliche Geschichte des billigen Wohnens“.
Der als Experte in die Kosteneinsparungskommission von Bundesbauministerin Barbara Hendricks berufene Thomas Jocher betonte, dass er sich gegen Einsparungen und Absenkungen von Standards beim Wohnungsbau in dieser Kommission ausgesprochen habe. Wer jetzt billig baue, verschiebe die Kosten in die Zukunft. Auch Unterkünfte für Flüchtlinge müssten so gestaltet werden, dass sie für „normale“ Bewohner geeignet seien.
Jocher begann seine 500 jährige Zeitreise durch die Geschichte des Wohnungsbaus in Augsburg bei der Fuggersiedlung. Es handelt sich um die weltweit älteste erhaltene Sozialsiedlung. Aufgenommen werden noch heute Bedürftige mit katholischem Glauben. Die (heute 140 WE) Wohnungen mit etwa 60 Quadratmetern waren für das beginnende 16. Jahrhundert recht großzügig gestaltet und hatten in den zweigeschossigen Häusern je eigene Eingänge auf beiden Ebenen. Das Quartier ist eine Stadt in der Stadt mit Mauern, Stadttoren, Kirche und sonstigen Einrichtungen.
An internationalen Beispielen des Wohnungsbaus in Frankreich oder Russland zeigte Jocher andere Grundrissorganisationen oder Bewohnergemeinschaften als wir es heute üblicherweise kennen. Eine wichtige Station der Zeitreise vom Mittelalter bis heute war die Siedlung Dammerstock in Karlsruhe. Den Wettbewerb der Stadt, die auf eigenem Grund günstige Wohnungen für untere und mittlere Einkommensschichten errichten wollte, gewann Walter Gropius, der kurz zuvor die Leitung des Bauhauses abgegeben hatte. Er wurde mit der Oberleitung der Siedlung mit 228 Wohneinheiten (1929) betraut. Ein Novum war die konsequente Ausrichtung der Gebäude als Zeilenbauten, im Gegensatz zur sonstigen Blockrandbebauung. Diese Bauform gestattet optimale Lichtverhältnisse für die relativ kleinen Wohnungen. Erstaunlich war auch die kurze Bauzeit von 1 ½ Jahren vom Wettbewerb bis zur Fertigstellung. Noch heute ist das unter Denkmalschutz stehende Dammerstock eine beliebte Wohnadresse in Karlsruhe.
In die Reihe der innovativen Wohnlösungen gehört natürlich auch die Weißenhofsiedlung in Stuttgart von 1927. Sie ist ein wichtiges Zeugnis des Neuen Bauens in Deutschland und löste in seiner Entstehungszeit heftige Debatten, vor allem wegen der Flachdächer, aus. Ludwig Mies van der Rohe entwarf den Masterplan und koordinierte das Projekt. Le Corbusier lieferte mit seinem Doppelhaus, das heute das Weißenhofmuseum beherbergt, einen wichtigen Beitrag für künftige Wohnbauten.
Thomas Jocher veranschaulichte anhand von Grafiken, welche Auswirkungen Erschließungssysteme oder verschiedene Bauformen für Flächen- und Kostenverbrauch verursachen. So konnte er an geschichtlichen Wendepunkten verdeutlichen, was wir aus diesen Beispielen für die Zukunft lernen können, um qualitätsvoll, gestalterisch anspruchsvoll und zugleich für die Bedürfnisse der Zeit zu bauen.