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99% der Erde sind heißer als 1000°C! Hier liegt ein immenses Energiepotential, dass es zu erschließen gilt. Der Geothermiekongress gab einen Überblick über realisierte Erdsonden-Anlagen und den Stand der Technik. Umweltministerin Gönner appellierte insbesondere an Architekten und Ingenieure, sich über die verfügbaren Technologien zu informieren und so zu ihrer Nutzung und Verbreitung beizutragen.
Prof. Dr. Bernhard Strirbny vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) erläuterte die geothermischen Verhältnisse in Baden-Württemberg. Zwei Drittel des Landes sind für die Installation von Erdwärmesonden geeignet, davon die Hälfte ausgesprochen gut. Die Untergrundtemperaturen erreichen in 500 m Tiefe stellenweise sogar bis zu 45°C gegenüber einem in Deutschland üblichen Mittelwert von 20 – 25°C. In einer Übersichtskarte hat das LGRB die Untergrundverhältnisse für den Bau und Betrieb von Erdwärmesonden dargestellt. Die Karte hat das Umweltministerium u.a. in seinem "Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Erdwärmesonden" abgedruckt.
http://www.lgrb.uni-freiburg.de/lgrb/home/leitfaden_erdwaerme
Zur oberflächennahen Geothermie zählt die Nutzung von Erdschichten bis 400 m Tiefe. Bereits mit einigen zehn bis 200 Meter tiefen Erdwärmesonden können in Verbindung mit Wärmepumpenanlagen Privathaushalte und Gewerbebetriebe ganzjährig mit Wärme versorgt werden. Die Bohrtiefe ist dabei abhängig vom Heizwärmebedarf und von den geothermischen Verhältnissen. Als Vorbild nannte Strirbny die Schweiz, in der mittlerweile über 35.000 EWS/WP Systeme in Betrieb sind. Jedes dritte bis vierte neue Haus wird dort mit einer Erdwärmesonde ausgestattet. Prof. Dr. Ladislaus Rybach vom Institute of Geophysics der ETH Zürich wies darauf hin, dass Erdsonden und Erdpfähle in der Schweiz zunehmend auch für die Gebäudekühlung herangezogen werden. Dagegen sind Erdkollektoren, die in weitläufigen Rohrsystemen und einer Tiefe von ca. 1,2 m nur unter unversiegelten Bodenflächen verlegt werden, in der Schweiz fast vom Markt verschwunden. Grund ist der hohe Landverbrauch und damit verbunden die hohen Kosten.
Neben der oberflächennahen Geothermie stellt die tiefe Hydrogeothermie ein weiteres Wärmepotential dar. Bei Temperaturen von ca. 140 °C in 2000 m Tiefe besteht hier außerdem die Möglichkeit, Wärme in Strom zu wandeln. Als natürliche Wärmeleiter dienen Molassebecken und der Oberrheingraben. Die erste Anlage in Baden-Württemberg wird derzeit in Bruchsal gebaut, die Stadt Lörrach wird bereits über das geothermische Heiznetz Riehen/Basel versorgt.
Unterschiedliche Auffassungen vertraten die Referenten hinsichtlich des realistischen Energiepotentials der Hochtemperaturnutzung von tiefliegenden Gesteinen in ca. 5000 m Tiefe, dem sog. Hot-Dry-Rock-Verfahren. Weltweit liegen noch keine Erfahrungen vor. Langfristig könnte diese Technologie jedoch eine Alternative zur Stromgewinnung aus Atomkraft darstellen.
Für jedes Vorhaben zur Erdwärmenutzung mittels Sonden ist jeweils eine wasserrechtliche und eine bergrechtliche Anzeige einzureichen. Zuständige Behörden in Baden-Württemberg sind für die wasserrechtliche Anzeige die Unteren Verwaltungsbehörden (Wasserbehörden), für die bergrechtliche Anzeige die Bergbehörde (Landesbergdirektion beim Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau im Regierungspräsidium Freiburg).
Sofern die Bohrlochtiefe unter 100 m liegt und innerhalb eines Monats nach Einreichung der Unterlagen keine Rückmeldung durch die Wasserbehörde erfolgt ist, kann der Antragssteller davon ausgehen, dass für die Anlage keine wasserrechtliche Erlaubnis erforderlich ist und mit der Bohrung beginnen. Eine Rückmeldung durch die Bergbehörde erfolgt bei grundstücksbezogenen Erdwärmesonden unter 100 m grundsätzlich nicht, da für diese Anlagen keine bergrechtliche Freigabe erforderlich ist.
Für Erdwärmesonden ab 100 m Tiefe ist dagegen ein bergrechtlicher Freigabebescheid erforderlich. Im Ausnahmefall muss auch ein technischer Betriebsplan vorgelegt werden. Bei grundstücksübergreifenden Projekten ist, unabhängig von der Tiefe, immer ein Antrag auf eine bergrechtliche Genehmigung zu stellen. Im Verlauf des Kongresses flammte die Diskussion um die bergrechtlichen Anzeige- und Genehmigungspflichten immer wieder auf. Die anwesenden Leiter der Bergbehörden in Baden-Württemberg und Hessen sahen sich daher veranlasst klarzustellen, dass es sich hier keinesfalls um eine genehmigungsrechtliche Hürde handeln soll. Im Gegenteil: in Hessen übernimmt die Bergbehörde federführend auch das wasserrechtliche Verfahren, um im Interesse des Antragsstellers eine möglichst rasche Genehmigung zu erwirken. Unter Referenten und Publikum herrschte jedenfalls Konsens, dass ein Verzicht auf Bohrungen über 100 m allein aus Angst vor dem bergrechtlichen Genehmigungsverfahren fatal und völlig unbegründet ist. Im Zweifel würden dadurch nur enorme Energiepotentiale verschenkt werden.
Dr. Volker Kienzlen vom Amt für Umweltschutz in Stuttgart berichtete über Erkenntnisse, die die Stadt bei der Sanierung der Seniorenwohnanlage "Rohrer Höhe" gewonnen hat. Die Wohnanlage wurde mit 28 Erdsonden a 100 m Tiefe in Kombination mit einer Solaranlage und einem Elektrofeststoffspeicher nachgerüstet. Da sich das Vorhaben – typisch für Stuttgart – in einem Heilquellenschutzgebiet befindet, mussten behördliche Auflagen, beispielsweise betreffend der Bohrlochdurchmesser, berücksichtigt werden. Probleme bereiteten die hydraulische Einbindung der Warmwasserbereitung außerdem der relativ hohe Heiz- und Warmwasserbedarf der Senioren. Aufgrund der hohen Vorlauftemperaturen von 50°C einerseits und der unveränderlichen baulichen Rahmenbedingungen andererseits konnte lediglich eine Jahresarbeitszahl von 3 (kWh Heizenergie pro 1kWh Strom/Antriebsenergie) erreicht werden. Damit liegt die Gesamtanlage an der untersten Grenze der Wirtschaftlichkeit. Eine weitere wichtige Erkenntnis aus dem Projekt ist, dass die Bedeutung der Nutzerakzeptanz häufig unterschätzt wird – eine Fußbodenheizung bedeutet für viele ältere Menschen, die dicke Teppiche und Heizkörper gewohnt sind, eine gravierende Umstellung ihrer Gewohnheiten.
Dr. Simone Walker-Hertkorn von der Systherma AG stellte verschiedene Beispiele für die Nachrüstung von Einfamilienhäusern vor. Beispielsweise wurde die denkmalgeschützte Villa Amann in Bönnigheim mit einer monovalenten Wärmepumpenanlage kombiniert mit 4 x 250 m Erdwärmesonden ausgestattet. Die Wärmeübergabe erfolgt mittels Konvektoren und Fußbodenheizung. Trotz fehlender Außenisolierung konnten dadurch nachweislich 50% der Betriebskosten eingespart werden.
Die denkmalgeschützte "Villa Amann" in Bönnigheim wurde mit einer monovalenten Wärmepumpenanlage kombiniert mit 4 x 250 m Erdwärmesonden ausgestattet. Die Wärmeübergabe erfolgt mittels Konvektoren und Fußbodenheizung. Foto: Siegfried J. Gragnato / SHB
Investitionskosten für die Gebäudekühlung mittels Erdsonden amortisieren sich laut Walter-Hertkorn im günstigsten Fall bereits nach 5 – 7 Jahren.
Als Beispiel nannte sie das neue Verwaltungsgebäude der Leonhard Weiss Bauunternehmung in Satteldorf. Der Heizbetrieb wird im Winter über eine Wärmepumpe mit 140 kW Heizleistung bei 28 °C Vorlauftemperatur gedeckt. Die Gebäudekühlung erfolgt über Plattenwärmetauscher im "direkt cooling Verfahren" mit 116 kW Kälteleistung bei 18 °C Vorlauftemperatur. Als Kältequellen dienen Außenluft, Erdreich und Wärmepumpe. In kühlen Sommernächten sowie in der Übergangszeit (Herbst, Frühling) wird die bestehende Kühllast über die Außenluft durch ein Rückkühlwerk mit freier Kühlung abgeführt. Hierbei werden die Gebäudespeichermassen mittels der in die Decken eingelegten Rohrleitungen heruntergekühlt und somit die Spitzenlast gemildert. Am Sommertag wird das Gebäude über die Erdsonden gekühlt. Falls die aus dem Erdreich zur Verfügung stehenden Temperaturen nicht ausreichen um die benötigten Vorlauftemperaturen für die Betonkerntemperierung zu erreichen, kann die Wärmepumpe den Erdsonden nachgeschaltet werden. Durch diese Anlagenkonstellation wird das Erdreich im Sommer nicht zu stark aufgeheizt und die Erdsonden stehen für den Tagesbetrieb konstant zur Verfügung.
Der Untergrund als Heiz- und Kältequelle umfaßt am Standort Satteldorf 30 Erdwärmesonden zwischen 74 bis 90 m Tiefe. Anstatt einer herkömmlichen Bentonit-Zement Suspension wurde der Ringraum der Erdwärmesonden mit ThermCem® verfüllt. ThermCem® ist durch eine erhöhte Wärmeleitfähigkeit charakterisiert und setzt damit den Reibungswiderstand bei der Übertragung von Energie zur Erdwärmesonde herab. Dadurch werden beim Wärmepumpenbetrieb im Winter etwa 2 °K höhere Temperaturen als bei einem Standardsondenfeld erzielt. Auch im Kühlbetrieb wird ein Temperaturgewinn von etwa 1 °K gegenüber einer Bentonit-Zement- Verfüllung erzielt. Durch diese Optimierung des Erdwärmesondenfeldes ist ein noch wirtschaftlicherer und effizienterer Betrieb gewährleistet.
Das ganze Heizungs-High-Tech-System der Sparkassenzentrale Donaueschingen funktioniert im Grunde auf höchst profane Weise: Mit ganz normalem Wasser. Dieses zirkuliert in den 56 Erdwärmesonden, die dem Untergrund Energie entziehen sowie überschüssige Energie wieder in den Untergrund abführen. Da das Vorhaben in der Wasserschutzzone 3 A liegt, wurde auf die Beimischung von Glykol verzichtet. Bei entsprechend tiefer Bohrung besteht dennoch keine Gefahr des Einfrierens.
Die aus Kunststoffrohren (HDPE) bestehenden Doppel-U-Erdwärmesonden kühlen im Sommer das komplette Gebäude, mit rund 3.500 m² thermoaktiven Kühldecken, im Winter unterstützt das Erdwärmesondenfeld die Beheizung des Gebäudes über eine Wärmepumpen-Anlage.
Technische Parameter:
Die Kosten für die Kühlung des gesamten Gerbäudes liegen unter 600 Euro/a
Die technischen Konzepte mit den Möglichkeiten der Nachtauskühlung und der Lüftung durch die Fensterlamellen und vor allem der Einsatz der Geothermie in Form von ca. 56 Erdsonden zum Kühlen und Heizen unterstützen den Gedanken der Nachhaltigkeit und sorgt für hohen Komfort bei geringsten Betriebskosten. Architekten: KBK Architekten Belz Kucher Lutz, Stuttgart. Bauleitung: Michael Hölzenbein-Architekten, Donaueschingen. Foto: © Thomas Ott, Darmstadt
Walker-Hertkorn fasste schließlich die wichtigsten Parameter zur Projektierung von Erdwärmepumpen zusammen:
Um der Erdwärmenutzung auch in Baden-Württemberg zum Durchbruch zu verhelfen, hat der Ministerrat ein Förderprogramm für Erdwärmesonden in Einfamilien-, Zweifamilien- und Reihenhäuser" wurde am 1. April 2005 gestartet. Damit sollen 500 Erdwärmesonden im Jahr gefördert werden, für dieses Jahr liegen bereits 100 Anträge vor.
Förderbedingungen, Antragsformular sowie die neueste Fassung des Leitfadens zur Erdwärmenutzung stehen auf der Homepage des Umweltministeriums zum Download bereit .
www.klimaschutz-plus.baden-wuerttemberg.de