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Die Landesregierung Baden-Württemberg verfolgt ihre Ziele zum Klimaschutz und zur Energiewende mit verschiedenen gesetzlichen Regelungen. Dazu gehört auch eine Novellierung des Nachbarrechtsgesetzes, mit der Hemmnisse bei der energetischen Sanierung und ökologischen Modernisierung im Gebäudebestand beseitigt werden sollen. Die am 12. Februar 2014 in Kraft getretene Änderung des Gesetzes hat Auswirkungen sowohl auf die Arbeit von Architektinnen und Architekten als auch auf diejenige der Fachrichtung Landschaftsarchitektur:
Durch den neu eingeführten § 7 c "Überbau durch Wärmedämmung" haben Nachbarn nun zu dulden, dass eine nachträglich auf die Außenwand eines an der Grundstücksgrenze stehenden Gebäudes aufgebrachte Wärmedämmung auf ihr Grundstück übergreift, soweit und solange dadurch die Nutzung des Grundstücks allenfalls geringfügig beeinträchtigt bzw. behindert wird. Als Maximalgrenze, ab der eine Beeinträchtigung jedenfalls nicht mehr geringfügig ist, wurden 25 cm Überbau festgesetzt. Die Duldungspflicht besteht auch nur dann, wenn eine vergleichbare Maßnahme auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht möglich ist und bei der Errichtung des Grenzbaus Wärmedämmungen nicht bereits üblich waren. Die übergreifenden Bauteile müssen im Übrigen nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zulässig sein. Daher sind insbesondere die Anforderungen des Brandschutzes zu berücksichtigen.
Die nun gesetzlich verankerte Tiefe eines maximal zulässigen Überbaus geht mit 25 cm deutlich über das von der Architektenkammer im Anhörungsverfahren vorgeschlagene Maß hinaus. Die neue Regelung bietet nach Einschätzung der AKBW immer noch einen nicht unbeträchtlichen Auslegungsspielraum, da durchaus jeweils im Einzelfall abzuwägen sein wird, bis zu welchem Maß ein Überbau tatsächlich nur geringfügig beeinträchtigt, oder ob nicht bzw. welche anderen "schonendere Maßnahmen" mit vertretbarem Aufwand möglich sind, die einen vergleichbaren Dämmeffekt erzielen. Auch die Tatsache, dass eine Duldungspflicht entfällt, sofern der Überbau eine beabsichtigte - also zukünftige - Nutzung behindern würde, wird im Einzelfall zu berücksichtigen sein. Dies könnte der Fall sein, wenn beispielsweise Anbauten oder die Errichtung von Nebenanlagen an der Grenze geplant sind.
Im § 16 wurde die bisherige abstandsrechtliche Privilegierung für - doch gerade im Innenbereich besonders wertvolle - Bäume bzw. "nicht höhenbeschränkte Gehölze" beseitigt und somit die erforderlichen Grenzabstände verdoppelt. "Artgemäß mittelgroße oder schmale Bäume" sowie Obstbäume auf stark wachsenden Unterlagen dürfen nun auch im Innenbereich nur noch mit mindestens 4 m Abstand zum Nachbarn gepflanzt werden. Gestrichen wurde auch die Ausnahme, dass einzeln stehende großwüchsige Bäume in Innerortslage statt mit 8 m Abstand nur in 6 m Entfernung zur Grenze gepflanzt werden durften. Ausgerechnet Baden-Württemberg mit dem "ersten grünen Ministerpräsidenten" ist damit das Bundesland, das die größten Grenzabstände für Gehölze festsetzt und somit eine innerörtliche Durchgrünung deutlich erschwert. Begründet wurde dies damit, dass man "der im Hinblick auf die immer wichtiger werdende Solarnutzung gestiegenen Bedeutung der Sonneneinstrahlung Rechnung tragen" wolle. So sollen mögliche Verschattungen von potentiellen Solaranlagen auf Dächern verhindert werden. Leider nicht berücksichtigt wurden die wiederholt vorgetragenen Bedenken der AKBW:
Die Architektenkammer ist gegen restriktive Regelungen, die pauschal eine ausschließlich technische Solarnutzung zu Lasten der natürlichen Bepflanzung fördern würden. Es gilt, bei einer ökologischen Modernisierung von Rechts- und Planungsvorschriften eine Grundlage zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu schaffen. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die ganzheitliche und ausgewogene Betrachtung des Klimawandels. Vorgaben, die eine einseitige Nutzung regenerativer Energien fördern, darf nicht Vorrang gegenüber anderen Möglichkeiten gewährt werden. Pflanzungen in Form von Hecken und Gehölzen haben gerade im Innenbereich eine außerordentliche Bedeutung für Mikroklima und annehmbare Lebensbedingungen in unseren Gemeinden und Städten. Auch hinsichtlich der CO2-Bilanz oder des Wasserhaushalts wirken sich Bäume und Sträucher ausgesprochen positiv aus.
In ihren Stellungnahmen forderte die Architektenkammer, zumindest einen Zusammenhang zwischen Pflanzabstand und Nutzung solarer Strahlungsenergie herzustellen. Derartige Regelungen hätten einen angemessenen Interessensausgleich und eine sachgerechte Abwägung auf der Basis tatsächlicher Gegebenheiten ermöglicht. Die jetzt eingeführte Regelung ist aus Kammersicht jedenfalls hinsichtlich der beabsichtigten Ziele kontraproduktiv. So kann beispielsweise ein Nachbar eine Baumpflanzung jenseits seiner nördlichen Grundstücksgrenze, wo diese ihn in der Nutzung von Solarenergie ohnehin nicht tangiert, in einem Abstand einfordern, der es einem engagierten Immobilieneigentümer wiederum unmöglich macht, selbst Solarenergie zu nutzen. Je nach anzutreffenden Grundstücksverhältnissen werden daher die neuen Abstandsregelungen deutlich negative Auswirkungen auf Ökologie und Artenschutz haben, da sinnfällige Gehölzpflanzungen nicht mehr möglich sind. Ersatzpflanzungen für bestehende überalterte oder abgestorbene Bäume und Gehölze in adäquater Weise werden häufig unmöglich sein, Artenschutz und Artenvielfalt sowie Habitatfunktion sind gefährdet. Eine Verschlechterung des Mikro- und Stadtklimas durch fehlende Staubbindung und Verdunstungskühle in Verbindung mit häufig sinnvoller und gewünschter sommerlicher Beschattung durch Laubbäume ist zu erwarten. Solarstrombetriebene Klimaanlagen stellen gegenüber schattenspendendem Grün keine ökologische Modernisierung dar. Da mit dieser Regelung kein unmittelbarer Beitrag zur Verbesserung der Nutzung erneuerbarer Energien geleistet wird, ist - gerade auch wegen der ökologischen Bedeutung, die mittelgroße und großwüchsige Gehölze für die CO2-Bilanz haben - die pauschale Einschränkung abzulehnen.
Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg: zum Gesetzestext im Online-Portal Landesrecht BW Bürgerservice