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Bei der Netzwerkveranstaltung "Architektur macht Schule" am 9. Oktober 2018 verschränkten sich theoretische und praktische Impulse für die Baukulturvermittlung.
Aus Vorarlberg, dem Mekka für spannende Architektur, berichtete Georg Bechter, wie nachhaltiges Bauen funktionieren kann. Ausgehend von den individuellen Gegebenheiten hat sich der Architekt, der laut eigenem Bekunden "kein Ökofuzzi" ist, mit experimentellen Bauten einen Namen gemacht. Dazu zählen Häuser aus Stroh. Der Österreicher berichtete vom Wunsch seiner Bauherren, möglichst ökologisch und möglichst günstig zu bauen. Die gängigen Materialien wie Kalk oder Lehm wären zu teuer geworden. Sein Vorschlag, ein lasttragendes Strohhaus zu entwickeln, traf ins Schwarze. Das ökologische "Abfallprodukt" kann ohne Nachbehandlung auf dem Bau verwendet werden. Im konkreten Fall war ausreichend Grund und Boden vorhanden, um problemlos mit den dicken Ballen Wände hochzuziehen. Auch die sehr gut gedämmte Bodenplatte - das Material speichert die Wärme tagsüber, um sie in der Nacht wieder abzugeben - trage zum angenehmen Raumklima bei. Bechter erzählte von Kindern, die dort auffallend schnell zu ruhiger Besonnenheit fanden, nachdem sie der offene Grundriss zunächst zu wildem Rennen animierte.
Ein Phänomen wie die oben beschriebene Wirkung des Raumklimas gehört mit Sicherheit zu denjenigen Kategorien, die schwer zu beweisen sind. Nicht alles lasse sich in Zahlen bemessen, rechne sich aber dennoch langfristig, ist auch Anneke Holz von der Bundesstiftung Baukultur überzeugt. "Denken Sie doch mal nach!", ist ihre Aufforderung, die Gesamtheit der Erfolgsfaktoren für eine gute Kultur des Bauens in den Blick zu nehmen: Gestaltqualität, soziale Teilhabe, ökonomischer Mehrwert, Planungs- und Prozessqualität sowie ökologische Nachhaltigkeit. Jede Gesellschaft baue sich das, was sie verdiene. Umso wichtiger sei es, die Weichen für baukulturelle Bildung zu stellen. Diese biete als idealer Lernstoff Heterogenität und Alltagsbezug, sei interkulturell und fächerverbindend. Mögliche Anknüpfungspunkte stellten das eigene Schulgebäude oder das Quartier dar.
Was sich hinter dem Begriff Planungs- und Prozessqualität verstecken kann, dazu gab es eine schöne Anekdote aus Georg Bechters Mund: "Und das langt fürs ganze Haus?", habe er zweifelnd nachgefragt, als der Schreiner die Zusammenarbeit mit nichts weiter als einem Handschlag besiegelte. Dieser Handschlag wurde im Laufe des Veranstaltungsnachmittags immer wieder beschworen, um wichtige Kategorien beim Planen und Bauen zu benennen: eine funktionierende Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen. Wie sehr dieser Wunsch am Puls der Zeit ist, zeigte im Übrigen auch die Rede der diesjährigen Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, Aleida und Jan Assmann: Vor dem Hintergrund von Vernebelung durch Fake News und neuester Technologien werde "erst deutlich, wie dringend Menschen für ihr friedliches Zusammenleben auf Errungenschaften wie Wahrheit, Glaubwürdigkeit, Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit angewiesen sind."
Eine ähnliche Sehnsucht sprach auch aus den Worten eines Workshop-Teilnehmers, der erklärte, warum für ihn solch eine Veranstaltung "grandios" sei: Sie bedeute einen Ausbruch aus "dem ganzen Kostenwahnsinn", aus dem "täglichen Irrsinn", mit dem er sich konfrontiert sehe. Und ein weiterer Teilnehmer erklärte, was ihn an der von Bechter vertretenen Haltung beeindrucke: Projekte unbeirrt gemäß dem individuellen Bedarf der Beteiligten entwickeln, mit starkem regionalen Bezug, "experimentieren statt normieren". Wie sehr es ihm auch im wörtlichen Sinne um Beteiligung geht, hat Bechter ebenfalls anschaulich gemacht. So sorge er immer dafür, dass die Bauherren bei der Realisation eingebunden sind, denn das fördere das Verständnis für den Ablauf und damit auch die Bereitschaft Fehler zu verzeihen.
In den Workshops war beim Brainstorming, welche Ziele es bei einem Architekturprojekt mit Kindern und Jugendlichen zu verfolgen gilt, schnell eine ganze Reihe zusammengetragen: Sehen lernen; Material erspüren und sinnlich erleben; Neugierde wecken; mit Spaß eigene Vorstellungen entwickeln / Kreativität ausleben / spinnen dürfen; Rückbesinnung auf die eigentlichen Werte; Bedürfnisse gegenseitig respektieren; durch Einbinden in die Vorgänge die Identifikation fördern; das Prozesshafte des Bauens verdeutlichen; die Qualitäten des Teams wertschätzen; menschliche Maßstäbe ins Zentrum der Planung stellen; Gespür für den öffentlichen Raum entstehen lassen; Bewusstsein für Nachhaltigkeit erzeugen; Bauen als gesellschaftliche Aufgabe erkennen.
Geballte Erfahrung aus der Architekturvermittlung brachte Dr. Dr. Arne Winkelmann mit. Seit langen Jahren als Lehrerfortbilder, Kurator, Autor und Seminarleiter tätig, stellte er in seinem Vortrag Grundstrukturen einer Projektarbeit vor, nämlich Rezeption - Reflexion - Produktion - Präsentation, und ließ sie als Workshop-Moderator mit Leben füllen. Am Beispiel Bauen mit Stroh sah das so aus: Bei der Rezeption wurde zunächst aufgenommen was das Material mit sich bringt, Eigenschaften wie Wärme, Pieksen und Geruch oder auch Nutzbereiche. Bei der Reflexion standen weitergehende Überlegungen zum Stroh im Vordergrund, darunter seine historische Bedeutung als Baumaterial. Aspekte der Produktion können die Erstellung eines Gewölbes aus Strohmatten sein oder die Armierung mit Hasendraht. Und schließlich wurde unter dem Stichwort Präsentation auch die Schaffung eines Sinnespfades vorgeschlagen.
Winkelmann verwies auf die "Dos and Don'ts" der Architekturvermittlung an Kinder und Jugendliche. Er empfahl statt mathematischer Maßstabsberechung den Einsatz von kleinen Figürchen als Bezugspunkt, plädierte für einfache Versuchsaufbauten mit dem Potenzial, komplexere Aufgaben zu ergänzen, und warnte vor Schulverschönerungsmaßnahmen, Grundrissarbeit und dem Bau von Traumhäusern. Beim Punkt Finanzierung verwies er insbesondere auf die oft randgefüllten Fördertöpfe von Schulen, die über passende Anträge durchaus für Vermittlungsprojekte mit außerschulischen Partnern zum Einsatz kommen können.
Um das Thema Baukultur greifbar zu machen, verschränkten sich bei dieser "Architektur macht Schule"-Veranstaltung praktische und theoretische Impulse. Hintergrund war zum einen das von unseren Architekturvermittlerinnen und -vermittlern signalisierte Bedürfnis, den Gegenstand ihrer Tätigkeit noch präziser zu umreißen. Zum anderen aber auch eine vom Deutschen Bundestag im Oktober 2016 vorgelegte "Stellungnahme der Bundesregierung zum Baukulturbericht 2016/17 und zu den baukulturellen Zielen des Bundes" (Drucksache 18/10170), in der die Absichtserklärung zu lesen war: "Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende sind Baukultur-Akteure von morgen. Der Bund stellt den Kultusministerien der Länder und Bildungsträgern Leitfäden für die baukulturelle Vermittlung zur Verfügung." Das Bundesinnenministerium sei an dem Thema dran, wurde der Bundesstiftung Baukultur auf die Frage geantwortet, wie es um die besagten Leitfäden stehe.
Leitfäden hin oder her - die zahlreichen Rückmeldungen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben uns bestätigt, dass bereits jetzt schon vieles gut läuft. Auch dass abermals so zahlreiche bekannte Gesichter beim jährlichen Treffen dabei waren, lässt sich als Hinweis auf die Verstetigung der Initiative "Architektur macht Schule" deuten. Der Wunsch der Architektenkammer, alle Vermittlungsprojekte zuverlässig dokumentiert zu bekommen, scheitert oft an der damit verbundenen zusätzlichen Arbeitsbelastung für die Initiatoren. Viel wichtiger ist aber ohnehin, dass die bereits Aktiven am Thema dranbleiben und sich noch weitere Freiwillige finden. Für dieses Engagement, die Baukultur in die Bildung zu tragen, danken wir allen Beteiligten herzlich.
Programm und Handouts der Referenten zum Download
Überblick über die Initiative der Architektenkammer Baden-Württemberg