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Foto: Niels Schubert Fotograf | BFF
Hindenburgstraße 4672336 Balingen
Architektonisches KonzeptDie Eingeschossigkeit des Neubaus nimmt zum einen die funktionalen Anforderungen des Raumprogramms auf und sichert zum anderen eine einfache und wirtschaftliche Realisierung als elementierter Holzbau (Gebäude geringer Höhe). Des Weiteren respektiert das Gebäude die vorhandene alte Baumsubstanz und ermöglicht durch seine Grundrissgeometrie, dass viele Bäume erhalten werden konnten. Zur Straße hin definiert das Jugendhaus einen klare, großzügigen Eingangsbereich.
Die Räume öffnen sich transparent in den Freibereich des Jugendhauses, sind aber zur Straße hin eher geschlossen. Die transparenten Fassaden wurden nahezu geschosshoch verglast und wurden nach Süden bzw. Süd-Westen mit einem außenliegenden Sonnenschutz versehen. Die hochgedämmte Fassade lässt kaum Wärmeverluste erwarten und trägt zu einem ökologisch nachhaltigen Bauwerk bei.
Organisation, FunktionsbereicheDer Neubau ist klar und logisch strukturiert. Die einzelnen Funktionsbereiche ordnen sich um einen zentralen Eingangsbereich an, sodass diese zeitgleich und unabhängig genutzt werden können. Das Foyer dient zudem als Erweiterung des Veranstaltungsbereichs bzw. des Cafés und als Bindeglied beider Bereiche. Während sich das Café, der Veranstaltungsraum und die abgeschlossenen Bereiche (Chillraum, esports, Büro und Besprechung) nach Osten zum Park hin öffnen, orientieren sich die Sportbereiche (mit Trampolinraum) als „Schaufenster“ zur Hindenburgstraße. Die Werkstatt und die Bandprobe mit angeschlossenem Aufnahmeraum liegen als introvertierte Bereiche nördlich im Anschluss an die Veranstaltungsfläche. Die Technik wurde als eigenständiger Bereich auf die Veranstaltung aufgesetzt und wird von innen über den Backstage-Raum erschlossen. Der Neubau ist barrierefrei nach DIN 18040-1 errichtet worden. Alle Aufenthaltsräume können direkt ins Freie entfluchtet werden.
Tragwerk, Fassade, MaterialitätAusgeführt wurde der eingeschossige Baukörper als Holzkonstruktion aus Stützen und aussteifenden kreuzverleimten Brettsperrholzwänden (X-Lam-Konstruktionen) auf einer Stahlbeton-Bodenplatte. Das Dach wurde als offene Balkendecke ausgebildet und nimmt die Gebäudeinstallation auf. Nichtragende Trennwände wurden als Holzständerwände ausgebildet. Die Decken sind in einer offen sichtbaren Holz-Trägerkonstruktion ausgeführt. Dadurch konnten die Ausbauarbeiten durch Vorfertigung minimiert werden.
Die Fassade wurde ebenfalls als Holzkonstruktion realisiert – ein Wechselspiel von opaken Flächen (vorpatinierte Douglasie) mit der nahezu raumhohen Verglasung. Die eingestellten Nebenraumspangen wurden in ihrer Oberflächengestaltung als „Graffiti-Wände“ den Jugendlichen übergeben und können durch das „Schaufenster“ straßenseitig als Adresse wahrgenommen werden, was das Gebäude wandelbar macht. Grundsätzlich wurden materialimmanente und naturbelassene Oberflächen verbaut, die ggf. durch den Gebrauch und den jeweiligen Zeitgeist patiniert werden und somit in Würde altern können. Das fördert die Aufenthaltsqualität nachhaltig.
AußenanlagenDer Neubau greift minimal in die Parklandschaft ein und hinterlässt lediglich einen um den Werkhof und Vorplatz (wassergebundener Belag/Rasenpflaster) erweiterten Fußabdruck. Die dem Café vorgelagerte Terrasse wurde als Holzdeck ausgeführt. Die leicht erhöhte Eingangsebene ist über Rampen mit geringer Neigung an den öffentlichen Bereich angeschlossen.
Wirtschaftlichkeit, NachhaltigkeitAufgrund der Eingeschossigkeit, der wirtschaftlichen Spannweite der Konstruktion und des hohen Anteils an werkseitiger Vorfertigung (Holzbau) mit kurzen Richtzeiten, konnte das Gebäude sehr günstig realisiert werden. Die vorgesehenen Kosten wurden nicht überschritten. Die Bauweise mit heimischen und regenerativen Ressourcen sowie der Einsatz von zeitgemäßer Gebäudetechnik und Baustandards (Wärmetauscher, Erdspeicher, Photovoltaik, Wärmepumpen, etc.) tragen somit auch zu einem nachhaltigen Gebäude bei.
Eine Beteiligung der Jugendlichen am Bau-Prozess wurde zur „Aneignung“ des Gebäudes als „ihr“ Jugendhaus sehr stark berücksichtigt und von der Stadt Balingen ausdrücklich begrüßt. Auch dies führt sicherlich zu einer sehr hohen Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer und somit auch zu einer nachhaltigen „Langlebigkeit“ des neuen Jugendhauses.
Zusammenfassung des gesamten PlanungsprozessesÜber einen offenen europaweiten Teilnahmewettbewerb zum Neubau des Balinger Jugendhauses hatten sich insgesamt 18 Architekturbüros beworben. Zehn Bewerber wurden aufgrund streng formaler Eignungskriterien für das weitere Verfahren zugelassen. Bei der Aufgabenstellung waren die Bedürfnisse und Belange aller Beteiligten eingeflossen, insbesondere jedoch die Wünsche und Anregungen von rund 600 Schülerinnen und Schülern: Das Gebäude sollte zukunftsfähig entwickelbar, breit bespielbar und vor allem auch von außen als Jugendhaus deutlich erkennbar sein. Durch mehrfach genutzte Räume sollten Flächen gespart und das Kostenbudget gehalten werden.
Neun von zehn zugelassenen Büros haben am 27. Februar 2018 ihre Arbeiten eingereicht. Trotz des knappen Zeitraums haben die Planer gut durchdachte Beiträge von erstaunlicher Bearbeitungstiefe eingereicht. Ein Komitee aus Jugendlichen, Gemeinderäten, Mitarbeitern aus dem Baudezernat und dem Amt für Familie, Bildung und Vereine stand am 2. März 2018 vor der schwierigen Aufgabe, aus neun eingereichten Entwürfen die besten drei auszuwählen, um diese im weiteren Verfahren per WhatsApp-Broadcast mit rund 300 Jugendlichen zu diskutieren.
Der Entwurf von röcker gork architekten fand bei den Jugendlichen über die Altersgruppen und über die Geschlechter hinweg gleichermaßen viele Befürworter: Mädchen und Jungen waren sich mit nur 0,09 Noten Unterschied weitestgehend einig. Der Unterschied über die Altersgruppen betrug nur 0,27 Noten. Der markante Entwurf hat sich in einer beispielhaften Kombination aus Architekturwettbewerb, Jugendbeteiligung und europäischem Vergabeverfahren gegen alle Konkurrenten durchgesetzt.
Nach 20 Monaten Bauzeit konnte das Gebäude bezogen werden. Die großzügige Terrasse in den Eyach-Auen ist ebenso fertiggestellt. Im Rahmen der Gartenschau 2023 entstand in direkter Nachbarschaft ein Aktivpark mit Skateanlage. Bei der Gestaltung des Entwurfs von röcker gork aus Stuttgart haben sich mehrere hundert Schülerinnen und Schüler beteiligt. Die Stadt Balingen ist mit diesem beispielhaften Partizipationsprojekt neue Wege in der Jugendbeteiligung gegangen. Mit der Gartenschau wurde die Karlstraße als hochwertige fußläufige Verbindung von Zentralem Omnibusbahnhof und Bahnhof mit dem geplanten neuen Vorplatz bis zu den Freianlagen an der Eyach aufgewertet. Die Anbindung des Jugendhauses an den öffentlichen Nahverkehr ist ideal. In unmittelbarer Nähe befinden sich ein Biosupermarkt an der Bahnhofstraße sowie ein Discounter direkt an der Karlstraße.
Jugendbeteiligung als gesetzlich verankerte Bürgerbeteiligung bei öffentlichen Bauaufgaben bietet große Chancen hinsichtlich Konsens, Akzeptanz und Identifikation der Nutzer mit dem Projekt. Dies wiederum führt zu rechtssicherer Planung und zügiger Durchführbarkeit größerer Projekte. Beteiligungsverfahren dienen zur Erhebung der Bedürfnisse der Nutzergruppen, der ganzheitlichen Betrachtung von Bauaufgaben und schließlich der Konkretisierung der Entwurfsaufgabe für den Planer. Positive Erfahrungen mit Beteiligungsformen fördern insbesondere die Mitwirkungsbereitschaft an demokratischen Prozessen. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist – ausgehend von UN-Kinderrechtskonvention und Grundgesetz – in der Baden-Württembergischen Gemeindeordnung gesetzlich verankert. Bei der Wahl des Beteiligungsverfahrens sind die geeigneten Kommunikationsformen speziell auf diese Interessensgruppe abzustellen, sodass erfolgreiche Partizipation überhaupt gelingen kann.
ProjektdatenGebäudetyp: Kultur-, Veranstaltungsgebäude, Sport und FreizeitBrutto-Grundfläche (BGF): 880 m²; Brutto-Rauminhalt (BRI): 3.520 m³Projektkosten: 2.450.000 Euro
Weitere BeteiligteStatik: merz kley partner GmbH, DornbirnHLS + Bauphysik: ebök GmbH, TübingenELT: STREHLAU GmbH, BitzBrandschutz: Ingenieurbüro für Brandschutz Dipl.-Ing. Manfred Oelmaier, BiberachBaugrundgutachten: GeoTech Kaiser GmbH, RottweilJumparena: Gebhardt Freizeit-Technik GmbH & Co. KG, Stuttgart
Aktuelle Ergebnisse, die Prämierungen aus den letzten beiden Jahren sowie die ausgelobten Verfahren in diesem Jahr inklusive Tipps zur Teilnahme finden Sie hier.