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Foto: Luis Tamayo Maya
Blauseeweg 1488239 Wangen-Primisweiler
ARCHITEKTURFeuerstein Hammer Pfeiffer Architekten Partnerschaftsgesellschaft mbB, Gerhard Feuerstein, Freier Architekt, Lindau; Projektteam: Verena Schmid, Andreas Mayr, Hannes Graser | Raum und Bau Planungsgesellschaft mbH, Martin Werner, Architekt BDA, München | Bauleitung: Flatschacher Bau-Projekt-Leitung, Thomas Flatschacher, Dornbirn | Landschaftsarchitektur: Martin Kappler mit Karin Dettmar, Wangen
Kindergarten und Kindertagesstätte sind enorm wichtig und prägend für die frühkindliche Entwicklung. Hier treffen sie auf Gleichaltrige, lernen sich selbst und andere kennen, machen erste Erfahrungen mit „Raum und Zeit“. Ein natürliches, kindgerechtes Umfeld sollte daher Grundlage einer jeden Planung sein.
In Wangen-Primisweiler wurde nun der Neubau für die viergruppige Kindertagesstätte St. Raphael in Betrieb genommen. Der Neubau dient auch als Familienzentrum für den Gemeindeteil Wangen-Schomburg mit momentan knapp 2.500 Einwohnern. Kooperationen mit verschiedenen Institutionen wie der Waldakademie Wangen e. V. bestehen bereits und sollen zukünftig noch weiter ausgebaut werden. Das Grundstück, knapp 4.000 m2 groß, liegt am südlichen Ortsrand von Primisweiler. Es wurde mit Bedacht ausgewählt: Der bestehende Sportplatz wurde halbiert, so dass keine neuen Bauflächen beansprucht werden mussten &ndash sozusagen eine „Nachverdichtung“ im ländlichen Raum. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich bereits die Grundschule und die Sporthalle, Synergieeffekte bei gemeinsamen Unternehmungen und gegenseitiger Unterstützung sind zu erwarten und auch gewollt. „Die Situation ist außergewöhnlich. An diesem Ort, am Übergang von Ortschaft zur freien Landschaft, einen Kindergarten planen zu dürfen, ist eine einmalige Aufgabe und Herausforderung“, so Architekt Gerhard Feuerstein aus Lindau. „Die Ausblicke, die Beziehungen zur Naturlandschaft sind einzigartig. An schönen Tagen bilden die Alpen mit dem beindruckenden Alpsteinmassiv den Horizont. Ohne eine einzige öffentliche Straße queren zu müssen, können die Kinder mit den Erzieherinnen bis zum nahegelegenen Erholungsgebiet Blausee wandern. Besser geht es vermutlich nicht“. Insgesamt 80 Kinder von ein bis sechs Jahren werden hier betreut, einige sind von morgens bis spätnachmittags hier. Lichtdurchflutete Räume, unbehandeltes Holz und Bezug zum Freien in allen Bereichen sind daher besonders wichtig.
Ein eingeschossiges, reich gegliedertes Gebäude kann die gestellte Aufgabe lösen. Der angrenzende Freiraum sollte dabei überall Teil des Hauses werden. Ablesbare Gruppenhäuser in der Maßstäblichkeit und Form der angrenzenden Wohnhäuser, dazwischen gefasste Höfe bilden das grundlegende Entwurfskonzept. Der Neubau ist ganz aus Holz gebaut. Dieses lebendige Material passt wunderbar zur Situation und zur Nutzung. Die Fassaden sind großteils mit unterschiedlich breiten, unbehandelten Weißtannehölzern verkleidet. Mit der Zeit wird das unbehandelte Holz in Abhängigkeit der Bewitterung unterschiedlich vergrauen und das Ensemble noch stärker in das natürliche Umfeld einbinden. Die Holzkonstruktion („Rohbau“) besteht aus vier gleichen Satteldächern aus Sparrenelementen sowie einem Flachdachbereich aus Brettsperrholz. Die Dächer ruhen auf Unterzügen und Stützen sowie auf Außenwänden in gedämmter Holzrahmenbauweise und Brettsperrholzwänden in den Innenbereichen. Die Aussteifung erfolgt selbstständig durch den Holzbau. Die Bodenplatte wird in konventioneller Bauweise hergestellt. Sie ist das einzige Massivbauteil der Konstruktion.
Die Verzahnung mit der Landschaft ist eines der Leitmotive dieses Entwurfs. Ein großzügiger Vorplatz führt von den Stellplätzen zum Eingang, der in den Baukörper eingeschnitten ist und eine witterungsgeschützte Vorzone ausbildet. Durch die Glasfassade sieht man bereits ins Foyer, das direkt in den Erschließungsflur übergeht. Der Flur weitet sich im Zentrum des Gebäudes nochmals zum „Marktplatz“ und lädt zur vielfältigen Inanspruchnahme ein. An dieser räumlich und funktional pulsierenden Magistrale sind alle Nutzungen angedockt: eine Krippengruppe, drei Kindergartengruppen, Personalräume, Essraum, Bildungsräume und der große Mehrzwecksaal. Die Abfolge von den vier Gruppenhäusern und den dreiseitig gefassten Höfen erzeugt im Inneren einen spannenden Rhythmus und bindet nach Außen die Gesamtanlage maßstäblich in die umgebende Bebauung ein. Oberlichter markieren in der Magistrale die Zugänge in die Gruppenhäuser. Die allgemeinen Funktionen öffnen sich über vollständig verglaste Fassaden und weit ausladende Vordächer auf geschützte Holzterrassen. Diese gewährleisten den sanften Übergang zwischen Innen und Außen. Innen trennen lichtdurchlässige Wände diese Räume zwar akustisch ab, ermöglichen aber durchgängige optische Verbindungen. Natürliches Tageslicht strömt so bis tief ins Innere des Gebäudes.
Die vier Gruppenhäuser funktionieren als vollständig autarke Einheiten mit eigener Sanitär- und Garderobeneinheit und direktem Zugang in den Freibereich. Diese Anordnung hat sich bereits in den ersten Wochen nach Bezug als äußerst sinnvoll erwiesen, insbesondere auch im Krisenmodus „Corona“. Dem gebäudekundlichen Konzept folgend ist auch die Haustechnik dezentral aufgebaut. Jedes Gruppenhaus hat seine eigene, dezentrale Lüftungsanlage und Elektrounterverteilung. Alle Aufenthaltsräume bestehen fast vollständig aus Holz. Wände, Decken und Möbel sind handwerklich aus Weißtanne gefertigt, die Böden bestehen aus geölter Eiche mit einer feinen Bandsägenstruktur. Jeder Gruppen- und auch jeder Gruppennebenraum erhält immer Tageslicht aus zwei Himmelsrichtungen, so ist die Landschaft immer präsent und die Räume weiten sich atmosphärisch in den angrenzenden Außenbereich.
Alle Materialien sind möglichst naturbelassen eingebaut. Unbehandeltes Holz und Sichtestrich als Bodenbelag in den hoch beanspruchten Flur- und Eingangsbereichen werden ergänzt durch großzügige Verglasungen und fein ausgewählte Textilien. Eine hochwertige Sitzgruppe im Eingangsbereich bietet Platz für einen angeregten Plausch bei einer Tasse Kaffee.
FREIANLAGEN
Der Entwurf der Außenanlagen wurde von Kappler Landschaftsarchitektur und Karin Dettmar (Spielraumplanung) in Zusammenarbeit mit der Kindergartenleitung, den Erzieherinnen, den Hochbauarchitekten sowie den verantwortlichen Personen der Stadt Wangen, entwickelt. Die Konzeption, Ausstattung und Formensprache der Spielbereiche und des Vorplatzes unterliegen einer naturnahen Gestaltung und ihren funktionalen Eigenschaften.
Das Entree bildet der großzügige Vorplatz. Zusammen mit dem angrenzenden Parkplatz bietet er genügend Begegnungs-, Aufenthalts- und Kinderwagenfläche sowie Parkplätze und Fahrradständer. Im internen Bereich des Kindergartens gibt es neben den Geräten viele Orte, loses Material und heimische Gehölze für das freie, kreative, selbst inszenierte Spiel der Kinder. Orte, die durch das Wirken der Kinder, Erzieherinnen und Erzieher ihr Erscheinungsbild verändern und immer wieder neu erfunden werden.
Die Ausgestaltung der Freiflächen und Spielelemente sowie die Auswahl der Beläge, Materialien, Gehölze und Stauden sollen die verschiedenen Bildungsbereiche &ndash bestehend aus Bewegung, Rollenspiel, Spielen und Gestalten &ndash sowie die Erforschung der Sinne, der Natur und Kulturellen Umwelt, fördern. Die Anlage ist in Modellierung, Material und Anpflanzung der Natur nachempfunden.
Das Wegesystem ist aus Gründen der Nachhaltigkeit nur teilweise versiegelt und wurde der Nutzungsintensität entsprechend aus Pflaster, Kies-Sand-Belag und Schotterrasen hergestellt. Es bildet einen Ring um die Architektur und stellt die Zugänglichkeit aus und zu den Gruppenhäusern, dem Gartenausgang und der Gartenabholung sicher, verbindet diese und dient als Fahrfläche und Verteiler. Dabei lassen partielle Aufweitungen der Belagsflächen, welche auf das Gebäude mit seinen Rücksprüngen reagieren, Plätze und kleinere Teilräume entstehen. Umliegend an die befestigten Flächen sind die bereits erwähnten Bildungsbereiche angeschlossen.
Um ein altersgerechtes Spielen und Lernen zu ermöglichen, wurde der interne Bereich in „unter“ und „über“ drei Jahre eingeteilt. Dabei prägen Schlagwörter wie Freiluft-Atelier, Wasserbaustelle mit Matschbereich, Sand- / Kiesbaustelle, Sandbereich, Kletterstruktur, Rutschhügel, Bauchschaukel, Fahrfläche, Podeste, Ladentheke, Steinkreis, Naschsträucher und Stauden- / Wildkräuterbeete die Entwurfskonzeption.
PV- ANLAGE
Die PVA ist als sogenannte Überschusseinspeisung konzipiert, d. h. der erzeugte Solarstrom wird vorrangig im Hausnetz der Kita verbraucht. Erst danach wird die im Gebäude nicht benötigte Restmenge (= Überschuss) in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Die Messung erfolgt durch geeichte Stromzähler. Erwartet wird ein Gesamtertrag der neuen PVA von ca. 30.000 kWh/a. Dieser „Sonnenstrom“ aus der PVA entspricht einer CO₂-Minderung von etwa 20 Tonnen pro Jahr.
Die neue Kita-PVA ergänzt die bereits bestehenden Photovoltaikanlagen der BEG auf den Dächern der benachbarten Schule und Turnhalle. In ihrer Gesamtheit tragen sowohl der Bestand wie auch die neue Anlage erheblich zur lokalen Klimaverbesserung am Standort Primisweiler bei.
Anlagedaten:Größe: 29,76 kWpMax. Einspeiseleistung: 30,00 kWWechselrichterwirkleistung: 30,00 kWDachneigung 19°, Montage dachparallel „geschuppt“, Ausrichtung SüdwestPV Module: 2 x 48 = 96 Stück (monokristallin)
Grundstücksgröße 3.790 m²Bruttogeschossfläche 1.155 m²Bruttorauminhalt 5.603 m³Fertigstellung 05/2020
Weitere BeteiligteTragwerk: merz kley partners, A-DornbirnHaustechnik: Vogt & Feist, Ravensburg | IB Lorentz, RavensburgBrandschutzplanung: Büro Anwander, Sulzberg
Aktuelle Ergebnisse, die Prämierungen aus den letzten beiden Jahren sowie die ausgelobten Verfahren in diesem Jahr inklusive Tipps zur Teilnahme finden Sie hier.