Veranstaltungsort für Tagungen, Seminare, Produktpräsentationen oder Pressekonferenzen.
Informationen für private und gewerbliche Bauherrinnen und Bauherren, Städte und Kommunen.
Foto: Achim Birnbaum
Ruhestein 172270 Baiersbronn
LeitideeDie Anforderungen an den Bau des Besucher- und Informationszentrums war von Anfang an, ein Gebäude für den neuen Nationalpark zu erschaffen, einen Ort, an dem die Natur und der Wald erlebbar und der Besucher ein Teil dessen wird. Vor diesem Hintergrund entstand die erste Konzeptidee zum Nationalparkzentrum, basierend auf der Struktur eines heimischen Urwalds, dessen wesentliches Kennzeichen das Totholz ist. Ein solcher Wald lässt sich in direkter Nähe zum Ruhestein erleben: Rund um den Wildsee werden umgeknickte und übereinander gestapelten Baumstämme sichtbar. Auch der naturbelassene Waldboden zeigt eine Mikrostruktur aus geschichteten Ästen. Entsprechend wurde das Nationalparkzentrum nach den Funktionen in einzelne Riegel gegliedert, die sich in Anlehnung an Baumstämme und Äste scheinbar willkürlich im bestehenden Wald stapeln. Die Analogie zum Wald wurde auch in Bezug auf Oberfläche und Materialität der Fassade fortgesetzt. Die silbergrauen Schindeln bilden die Farbigkeit und Textur der geschuppten, das Nationalparkzentrum umgebenden, Tannenstämme nach.
Bei genauerer Betrachtung ist die Lage der Riegel nicht zufällig, sondern ergibt sich aus den vielfältigen Abhängigkeiten in Bezug auf die Hanglage, die Nutzungsbereiche, die Besucherführung und den Baumbestand. Um die Eingriffe in die Natur zu minimieren, kam der Lage der Gebäude dabei einer besonderen Bedeutung zu. Der überwiegende Teil des Nationalparkzentrums (Verwaltung, Foyer, Betrieb) wurde auf einem baumfreien Bestandsplateau platziert, während die Ausstellungsbereiche und der Skywalk zum Teil freitragend in den Wald ragen. Diese Gebäudeteile platzieren sich exakt zwischen den als besonders schützenswert bestimmten Bestandsbäumen. Die hohen Lasten werden dabei über möglichst geringe Fundamentflächen abgetragen. Durch Pfahlgründungen erfolgt eine minimale Verdichtung des Bodes, Waldboden und Wurzelwerk bleiben zum Großteil unberührt.
Raum und Nutzung Insgesamt acht Riegel gruppieren und stapeln sich um das Foyer und bieten mit einer Fläche von rund 3.300 qm Platz für die benötigten Funktionsbereiche des neuen Besucherzentrums. Die Räume und Raumverbindungen des Nationalparkzentrums sind bestimmt von vielfältigen Aus- und Durchblicken, um immer wieder den Bezug zu der Umgebung mitten in der Natur herzustellen. Der zentrale Raum des Gebäudes ist das Foyer mit Restaurant, Sonnenterrasse und dem großen Panoramafenster, das den direkten Kontakt zum umliegenden Wald ermöglichen. Von hier verteilen sich die Funktionsbereiche. Zum einen gelangt man über eine skulpturale Treppe ins Obergeschoss, wo sich zwei Schulungsräume, ein Vortragsraum und Büros der Nationalparkverwaltung befinden. Zum anderen hat das Foyer Anbindung zur Wechselausstellung, zum Shop-Bereich, zum Kino, zur Dauerausstellung und zum Skywalk sowie interne Zugänge zu den Werkstätten und zur Großküche. Die Funktionsbereiche können bei Bedarf tageszeitlich abgetrennt und einzeln erschlossen werden.
Durch die Höhenstaffelung der Gebäudeteile werden die unterschiedlichen „Stockwerke“ des Walds erlebbar. Die Dauerausstellung ist dabei in drei schräg liegenden Riegeln untergebracht. Hier taucht der Ausstellungsbesucher über Rampen und höhengestaffelte Kabinette langsam in den Wald ein. Die schrägen Riegel der Dauerausstellung sind dabei so angeordnet, dass der Besucher sich am Ende der Rampe unter dem Riegel der Ausgangsebene befindet. Gezielte Bezüge und Ausblicke zu den geschützten Waldbereichen werden begleitend zur Ausstellung durch „Blickluken“ und Panoramafenster erzielt. Ein Luftraum stellt eine Verbindung zwischen dem oberen und unteren Riegel her. Die Wechselausstellung mit direkter Verbindung zum Foyer befindet sich am Ende des Rundgangs.
Am Ende des Ausstellungsrundgangs beginnt auch der 65 m lange und frei bewitterte Skywalk, der als Teil der Ausstellung oder separat genutzt werden kann. Er verbindet das Besucherzentrum mit dem 35 m hohen und 15° geneigten Aussichtsturm und einer frei auskragende Aussichtsplattform mit weiteren Aufenthalts- und Blickmöglichkeiten. Auf dem Turm befindet sich der Besucher auf Höhe der Baumwipfel, ihm eröffnet sich hier ein weiter Blick in das angrenzende Tal und in den Nationalpark.
Material und KonstruktionEntsprechend der Nutzung des Gebäudes wurde auf einen vielfältigen Einsatz des Werkstoffes Holz geachtet. Je nach Anforderungen wurden verschiedene Holzarten und Holzwerkstoffe eingesetzt. Das verwendete Holz stammt dabei vorwiegend aus einheimischen Wäldern. Das Haupttragwerk besteht aus Holz-, Stahl-, und Hybridfachwerken mit einer Höhe von bis zu fünf Metern. Zwischen den Fachwerken sind vorgefertigte Dach- und Bodenelemente als Kastenträger eingehängt, wobei einige der Riegel vollflächig als wandartige Träger aus Brettsperrholz ausgeführt wurden. Eine Festlegung auf möglichst große Fachwerkbilder-Einheiten mit passgenauen Montagestößen war für die Montage des Tragwerkes in dem stark bewaldeten Gebiet essenziell, um keinen größeren Schaden an dem Baumbestand zu verursachen.
Das Nationalparkzentrum befindet sich auf einer Höhe von 915 m ü. NN, sodass das Tragwerk auf hohe Wind- und Grundschneelasten ausgelegt werden musste. Zusätzlich waren Schneeverwehungen und besondere Lastfälle wie „Baumwurf“ und Erdbebenlasten der Zone 1 zu berücksichtigen. Aufgrund der besonderen Wetterbedingungen am Ruhestein mit bis zu 200 Tagen im Jahr mit hoher Luftfeuchtigkeit wurden beim konstruktiven Holzschutz höchste Anforderungen definiert. Beispielsweise sind sämtliche sichtbaren Fachwerkträger des Skywalks hinterlüftet und nicht direkt der Witterung ausgesetzt. ausgeführt. Zusätzlich wurde eine zweite wasserführende Ebene ausgebildet und alle schrägen und durchdringenden Bauteile daran angeschlossen. Trotz dieser konstruktiven Anforderungen an das Tragwerk bestand die gestalterische Herausforderung darin, die Fachwerkstruktur trotzdem sichtbar zu lassen.
GebäudetechnikGemäß der zukünftigen Nutzung als ein Gebäude, dass das Umweltbewusstsein der Besucher schärfen soll, wurde dem Aspekt der Nachhaltigkeit bei der Planung und Konstruktion einen hohen Stellenwert beigemessen. Ziel war eine Zertifizierung nach dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB). Als wichtiger Eckpunkt der Nachhaltigkeitszertifizierung steht neben dem hohen Anteil an regenerativen Baustoffen und der Gebäudehülle in Passivhausqualität auch das innovative Technikkonzept. So wird die Wärme des Erdreiches genutzt, Holz als nachhaltiger Brennstoff eingesetzt und das Regenwasser für Kühlzwecke verwendet. Das Gebäude wird durch eine Pelletheizungsanlage mit Wärme versorgt, die über ein neu erstelltes Nahwärmenetz alle Bestandsgebäude der Nationalparkverwaltung anbindet. So werden von hier auch die Villa Klumpp und die Nationalparkverwaltung im nördlichen Planungsgebiet versorgt.
Um an den zunehmend heißeren Sommertagen einen angenehmen Verbleib im Besucherzentrum zu gewährleisten wird die Luft über adiabate Kühlung aufgefrischt. Hier wurde sich bewusst nach umfangreicher Simulation gegen eine mechanische Kälteerzeugung entschieden. Innovativen Charakter hat auch die Potentialpufferung der Regenwasserzisterne unter Einbezug des Erdkollektorfeldes als Rückkühlung sowie die sommerliche Warmwasserbereitung über die Wärmepumpe. Die einzelnen Riegel der Konstruktion werden über zentrale und dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung be- und entlüftet. In Teilen werden die Gebäuderiegel selbst als Kanäle genutzt: Im Bereich der Wechselausstellung und des Foyers strömt die Luft frei zwischen den Gebäudeteilen.
Das Gebäude ist mit einer Gebäudeautomation gesteuert. Die im Gebäude verteilten sechs Informationsschwerpunkte messen, regeln und steuern über ein ca. 28 km langes Kabelnetz die unterschiedlichen Prozesse. Durch CO₂ Fühler wird die Luftmenge in den Räumlichkeiten geprüft und entsprechend geregelt. Ein zentrales Management-System erfasst alle Betriebszustände der technischen Anlagen sowie Luftqualitäten und Verbräuche von Wasser und Energie und ermöglicht bei Fehlfunktionen eine automatische Benachrichtigung des Betriebspersonals.
Aktuelle Ergebnisse, die Prämierungen aus den letzten beiden Jahren sowie die ausgelobten Verfahren in diesem Jahr inklusive Tipps zur Teilnahme finden Sie hier.