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Foto: Sebastian Schels
Beim Mühltor 7, 7/1, 7/2, 1272336 Balingen
Realisierungswettbewerb 2014 1. PreisRealisierung 2016-2022, Bezug Februar 2019
Mitarbeit bei nbundm* Architekten BDA: Stefan Albert, Benjamin Becker, Eva Eckert, Hannes BeckMitarbeit bei OK Landschaft: Malgorzata Hellblau, Maciej Wasilewski
Die IdeeDie Idee zur Wohnbebauung am Mühltorplatz in Balingen wurde durch einen konstruktiven Dialog zwischen der Bauherrschaft, der Wohnbaugenossenschaft Balingen und der Stadt Balingen ins Leben gerufen. Er hatte zum Ziel, auf einer innerstädtischen Brache öffentlichen Raum mit städtischem Wohncharakter zu schaffen. Der 1. Preis des gemeinsam ausgelobten Wettbewerbs setzt diese Gedanken um, indem er vier neue Stadtbausteine mit insgesamt 22 Wohnungen und Tiefgarage so zu einer identitätsstiftenden Wohnbebauung gruppiert, dass ein öffentlicher Platz und Anger mit hoher Wohnqualität und privaten Freiflächen in Form von Stadtloggien entsteht. 20 Jahre nach der Sanierung Klein Venedigs wurde so eine letzte Brache am Eyachufer Balingens repariert und ein neues Stadtquartier geschaffen. Das städtebauliche Konzept fußt dabei auf einer intensiven Analyse der Stadtgeschichte und historischen Strukturen Balingens und entwickelt die kleinparzellierte städtebauliche Struktur des ehemaligen Gerberviertels weiter.
Analyse und KonzeptIm Planungsgebiet lässt sich eindrücklich die bewegte Stadtgeschichte Balingens nachvollziehen. An keiner Stelle der Stadt treffen die noch vorhandenen mittelalterlichen Strukturen so unmittelbar auf die der klassizistischen Neuordnung des frühen 19. Jahrhunderts. Entlang der Eyach greift die neue Wohnbebauung das Motiv der alten Gerberhäuser auf, welche sich giebelständig zum Fluss orientierten. Sensibel komplettieren sie die Stadtsilhouette. Dahinter erstreckt sich ein drittes Haus am ehemaligen Standort der Herrenmühle, welches den Abschluss zweier öffentlicher Räume bildet: der Mühltorplatz mit Fischaufstieg und ein Wohnanger. Schließlich ergänzt der Anbau „Beim Mühltor“ das Ensemble und zeichnet den Verlauf der inneren Stadtmauer nach. Gebäudevolumina und Hausformen orientieren sich an der umgebenden Bebauung, resultieren aus Flurgrenzen oder historischen Kanalläufen. Am Rande der Altstadt entsteht so eine neue städtische Wohnbebauung, eingebettet in ein öffentliches Platz- und Raumgefüge.
Die Wohnungen – Grundrisse und BarrierefreiheitUntereinander sind die vier Gebäude auch oberirdisch über das durchgesteckte Treppenhaus des mittleren Hauses miteinander verbunden. Von hier aus gelangt man in das für alle Bewohner zugängliche Zwischengeschoß, welches genügend Platz für Trockenräume, Fahrräder, Kinderwägen, Werkraum etc. bietet und ebenerdig zu erreichen ist. Die Häuser sind mit Ausnahme des Anbaus „Beim Mühltor“ über einen Aufzug an die Tiefgarage angebunden und barrierefrei erschlossen. Die Grundrissorganisation erlaubt eine barrierefreie Nutzung innerhalb der Wohnungen, Bäder etc. sind entsprechend dimensioniert. Alle Wohnungen werden über eine großzügige Diele betreten, die genügend Stauraum als Abstellfläche und Platz für Garderoben bietet. Die Aufenthaltsbereiche Kochen-Essen-Wohnen sind als räumlich zusammenhängende offene Bereiche entwickelt, die sich nach Bedarf auch unterteilen lassen (Abtrennung geschlossener Küchen). Dieser wichtige Gemeinschaftsraum innerhalb der Wohnung kommuniziert jeweils über eine Loggia mit dem öffentlichen Raum der Freianlagen. Die oberste Wohnung pro Haus ist jeweils eine Maisonette, die unter dem Dach die Schlafräume und kleineren Zimmer mit eigenem Charme beherbergt.
Intimität, Stadtloggien und SonnenschutzDie Lage im Stadtgebiet erfordert einen besonders sensiblen Umgang mit Fensteröffnungen und den den Wohnungen zugeordneten Freibereichen. Die beiden oberen Häuser verfügen über ein Hochparterre bzw. sind hier die privaten Zimmer so angeordnet, dass sie sich nicht zum öffentlichen Straßenraum orientieren. Alle Fenster haben eine massive Brüstung von lediglich 70 cm Höhe. Das ermöglicht zum einen eine gute Belichtung der Zimmer und vermittelt eine räumliche Großzügigkeit.Die Loggien sind als „grüne Zimmer“ konzipiert. Sie bieten größtmögliche Freiheit und Intimität zugleich, indem sie ebenfalls über eine massive, aber niedrige Brüstung verfügen und als reine Loggien geplant sind, die nicht über die Gebäudeflucht überstehen. Mit einer zusätzlichen Einfachverglasung wären sie auch als Wintergarten ausbaubar. Sonnen- und Sichtschutz bieten ausstellbare rote Markisen, welche den Bewohnern auch bei geschlossenem Zustand der Kontakt und die Sichtbeziehung zu Stadt, Platz und Gasse ermöglicht. Dieser private und gleichzeitig halböffentliche Freiraum verbindet die private Wohnung mit dem öffentlichen städtischen Raum.
Konstruktion, Fassade und DetaillierungBei der Umsetzung des Projekts gab es diverse Schwierigkeiten zu beachten. Das Planungsgebiet liegt im Hochwasserbereich der Eyach und in Erdbebenzone III. Weiter galt es, einen ca. 4 Meter hohen Geländeabfall und einen bestehenden Fischaufstieg in das Konzept zu integrieren. Die Konstruktion ist denkbar einfach gehalten. Drei Häuser stehen auf einer gemeinsamen Tiefgarage bzw. dem Kellergeschoss aus wasserundurchlässigem Stahlbeton. Der Hochwasserschutz zur Eyach ist gewährleistet, ebenso die Erdbebensicherheit. Der Anbau „Beim Mühltor“ verzichtet auf ein unterirdisches Kellergeschoss, sodass kostenintensive Gründungsarbeiten und Abfangungen vermieden werden können. Die Häuser sind mit ausgedämmten und ausbetonierten Blähtonsteinen gemauert, was für ein optimales Raumklima und eine robuste Außenschale sorgt. Die Dachgeschosse wurden in üblicher Zimmermannsbauweise errichtet. Alle Gebäude sind verputzt. Die Wandflächen werden mit strukturiertem Besenstrich-Putz ausgeführt, Sockelbereiche und Fensterfaschen setzen sich mit einem feinen Glattputz ab. Auf die Detaillierung der Öffnungen, Dachränder, Geländer, Eingänge etc. wurde insgesamt großen Wert gelegt. Stilprägende Details sind historischen Vorbildern aus dem Stadtbild Balingens entlehnt.
Energetisches KonzeptDie vier Häuser werden mit Fernwärme versorgt. Der sommerliche Wärmeschutz ist durch außenliegende Rollläden oder textile Ausstellmarkisen gewährleistet, die die Wohnräume und Loggien verschatten und vor Hitzeeinstrahlung schützen. Die Massivbauweise sorgt für ein angenehmes Raumklima. Der Luftaustausch erfolgt automatisch über eine integrierte Fensterlüftung in den Fensterstöcken.
Tragwerksplaner / Bauphysik / Schallschutz: Joachim Schneider, BalingenH-Planung: Heima-Welte Haustechnik, BalingenLS-Planung: IB Weingärtner, BalingenE-Planung: Strehlau Gebäudetechnik GmbH, Bitz
Aktuelle Ergebnisse, die Prämierungen aus den letzten beiden Jahren sowie die ausgelobten Verfahren in diesem Jahr inklusive Tipps zur Teilnahme finden Sie hier.