Veranstaltungsort für Tagungen, Seminare, Produktpräsentationen oder Pressekonferenzen.
Informationen für private und gewerbliche Bauherrinnen und Bauherren, Städte und Kommunen.
Foto: Marcus Ebener
Liebermeisterstraße 1872076 Tübingen
Der Neubau neben dem bestehenden Theologicum ist der erste Baustein eines deutschlandweit einzigartigen, religionsübergreifenden Campus für Theologie auf dem Talcampus in Tübingen. Die Herausforderung bestand darin, den prägnanten Oktogonbau des Theologikums so einzubinden, dass ein kommunikatives Ensemble entsteht, das zugleich eine gewisse Präsenz zwischen den heterogenen Universitäts- und Klinikgebäuden zu entfaltet. Auch verlangte das zwischen zwei Erschließungsstraßen gelegene, stark abfallende Gelände nach einer besonderen strukturellen Antwort.
Das Gebäude ist in zwei winkelförmig angeordnete Volumen und einen Sockel gegliedert. So wird der Oktogonbau freigestellt und das Gebäude zum benachbarten Bestandsbau abgegrenzt. Der Neubau greift die Orthogonalität der Campusgebäude auf und definiert eine klare Adresse an der inneren Erschließungsstraße des Campus und am zweiten Eingang von der tiefergelegenen Gmelinstraße. Gleichzeitig schreibt er mit seinen in den Hang gestaffelten Volumen, das durchgrünte Gewebe des Campus fort. Die Gebäuderiegel fassen eine große Gemeinschaftsterrasse, die sich zum Grünraum des Stadtfriedhofs und zum baumbestandenen Außenbereich des Theologicums öffnet. Dadurch entsteht ein vielfältig nutzbarer Außenraum für den interreligiösen Dialog, den die Cafeteria und die Bibliotheken im Oktogonbau und im Sockel des Neubaus beleben.
Die Struktur des Neubaus spannt sich zwischen den zwei Hauptzugängen zum Gebäude auf. Entlang der Erschließungsachse reihen sich die Seminarräume auf, gegenüber ist im Sockel eine Bibliothek angeordnet, welche Arbeitsplätze zum Außenbereich und zu einem kleinen Lesehof anbietet.
Über eine holzausgekleidete Wendeltreppe am Schnittpunkt der Flügelbauten gelangt man zu den Lehrstühlen und Büros in den Obergeschossen. Hier ist auch eine potenzielle Anschlussstelle für einen weiteren Bauabschnitt vorgesehen, der den interreligiösen Campus nach Westen erweitert.
Alle primären Elemente des Tragwerks bestehen aus Stahlbeton. Das Gebäude wird in Ortbetonbau-weise erstellt. Die langlebige Klinkerfassade wurde mit Fingerspalt geschossweise gelagert vor der Wärmedämmung montiert. Während die Seminarbereiche aus Schallschutzgründen durch massive Wände unterteilt werden, gliedern bis auf eine tragende Flurwand leichte bei Bedarf leicht anpassbare Trennwände die Bürobereiche.
Um die Präsenz des gestaffelten Gebäudes zu stärken, wurde es mit einer einheitlichen Ziegelfassade versehen. Auch der gepflasterte Boden auf der Terrasse und im Lichthof wurde in selben Klinker ausgeführt. Die geschossweise durch Bänder aus Fenstern, Loch- und Reliefziegeln gegliederte Fassade nimmt Bezug auf die in der traditionellen islamischen Architektur verwendeten Maschrabiyya, die im Innenraum ein reiches Spiel aus Licht und Schatten hervorrufen.
Die Oberflächen-Varianz findet sich auch in der Metallverkleidung des Lichthofs wieder, deren Muster die Struktur des Lochziegelmauerwerks in einem anderen Maßstab zitiert. Zusammen mit den Holzeinbauten, -möbeln und -verkleidungen entsteht so eine ruhige und einladende Studienatmosphäre. Alle Materialien und Fassadenelemente sind auch bei hoher Beanspruchung sehr langlebig und wartungsarm.
Das kompakte, teilweise in das Gelände geschobene Gebäude profitiert von den konstanten Temperaturen im Erdreich und verfügt über eine verhältnismäßig geringe Fassadenfläche. Die Qualität der Gebäudehülle ist an den Passivhaus-Standard angelehnt. Der Einsatz erneuerbarer Energien wird durch den Anschluss an das Fernwärmenetz der Stadtwerke Tübingen und eine PV-Anlage auf einem Dach abgedeckt und durch Wärmerückgewinnung ergänzt. Die Seminarräume und die Bibliothek werden passiv über adiabate Kühlung konditioniert, eine erhöhte Nachtlüftung wird in den belüfteten Bereichen durch die Lüftungsanlage oder in den Bürobereichen durch den Nutzer abends und in den frühen Morgenstunden gewährleistet.
Der schwellenlose Zugang zum Gebäude ist im Erdgeschoss über die Eingänge an der Liebermeisterstraße und auf Terrasse sowie über den Eingang an der Gmelinstraße im Sockelgeschoss gewährleistet. Am Eingang Gmelinstraße wurden in Absprache mit der Vertrauensperson der Schwerbehinderten der Universität zudem taktile Kennzeichen bis zum Empfang der öffentlich nutzbaren Bibliothek angebracht. Die schwellenlose Erschließung aller Geschosse des Gebäudes (außer UG) erfolgt über den behindertengerechten Aufzug. Ein Behinderten-WC für die Studierenden befindet sich im Sockelgeschoss, zwei Behinderten-WC für die Mitarbeitende des ZITH im 1. und 3. Obergeschoss.
Der Stahlbeton-Massivbau verfügt über eine große Speicherkapazität, die in Zusammenhang mit der erhöhten Nachlüftung temperaturdämpfend/verzögernd wirkt und das Wohlbefinden und den Energieverbrauch an heißen Tagen deutlich verbessert. Der Öffnungsanteil in der Fassade ist moderat, Loch-mauerwerk vor einigen Fenstern wirkt als feststehender, außenliegenden Sonnenschutz. Der Sonnenschutzfaktor der Fensterscheiben entspricht einem außenliegenden Raffstore. Der Neubau des Zentrums für Islamische Theologie (ZITH) ist von parkartigen Freiflächen umgeben, womit das vorhandene Gestaltungsprinzip des Campus fortgeschrieben wird. In steilen Geländeabschnitten ist bodendeckende Pflanzung vorgesehen, ansonsten überwiegen Rasenflächen. Insgesamt wurden acht neue Bäume gepflanzt. Asphaltierte Wege binden das Gebäude in das vorhandene Erschließungssystem ein. Der öffentlich nutzbare Weg über die Terrasse wird heute als neue Haupt-Wegeverbindung zwischen dem Campusgelände und der Bushaltestelle an der Gmelinstraße genutzt. Eine weitere Wegeverbindung mit Sitzstufen verbindet die Cafeteria im Theologicum mit dem Neubau. Das Niederschlagswasser wird von einer Zisterne eingesammelt und zeitverzögert in die Kanalisation eingeleitet.
Kunst am Bau: STUDIO GRÜNDER KIRFEL, Bedheim
Aktuelle Ergebnisse, die Prämierungen aus den letzten beiden Jahren sowie die ausgelobten Verfahren in diesem Jahr inklusive Tipps zur Teilnahme finden Sie hier.