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Am 4. Juli 2019 verkündete der Europäische Gerichtshof (EuGH) im HOAI-Vertragsverletzungsverfahren sein Urteil. Nach Auffassung des Gerichts sind die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI mit dem EU-Recht nicht vereinbar. Somit wurde das Hauptziel, das die Bundesarchitektenkammer (BAK) im Schulterschluss mit der Bundesingenieurkammer und dem Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e. V. (AHO) verfolgt hat, zwar nicht erreicht, berichtete der stellvertretende Geschäftsführer und Leiter der Rechtsabteilung der BAK Dr. Volker Schnepel aus Berlin, aber die ganzen Bemühungen im Vorfeld des Urteils seien nicht vergeblich gewesen.
Denn der EuGH habe erkannt, dass Qualität, Verbraucherschutz und Baukultur wichtige Faktoren seien, die mit einem verbindlichen Mindestpreis in einem Zusammenhang stünden. Es wurde aber vom Gericht als widersprüchlich angesehen, dass die Qualifikation der Plane den nicht gesichert sei, da jede Person Planungsleistungen erbringen kann. Wenn die Qualität bei der Leistungserbringung nicht überprüft wird, warum soll sie dann bei der Honorierung Mindestsätze rechtfertigen? Der EuGH bezeichnete dies als inkohärent. Da es sich beim EuGH-Urteil um ein Feststellungsurteil „ohne gestaltende Wirkung“ handelt, sind die Konsequenzen auf die Anwendung der Höchst- und Mindestsätze augenblicklich umstritten und entfachen Diskussionen unter den Richtern zu den unmittelbaren Auswirkungen.
Als Erfolg wertete Schnepel, dass die HOAI weiterbestehen kann. Aber es müsse zur Kenntnis genommen werden, dass nicht alles beim Alten bleiben kann und die HOAI somit im vorgegebenen Rahmen innerhalb von 12 bis 18 Monaten novelliert werden muss. Die Forderung des diesjährigen Deutschen Architektentags griff die Ausführungen des obersten europäischen Gerichts auf, die Verantwortung für die Gestaltung der gebauten Umwelt nur Personen zu übertragen, die ihre Qualifikation in Stadtplanung und Architektur nachgewiesen haben. Diese Qualitätssicherung sei ein eigenständiges Ziel, das weiterverfolgt wird: „Ein dickes Brett“, so Schnepel, „aber manchmal lohnt es sich dicke Bretter zu bohren.“
Daran knüpfte Norbert Leuz, Erster Vizepräsident der Steuerberaterkammer Stuttgart, an. In seinen Ausführungen unterstrich er die Gemeinsamkeiten der freien Berufe und erläuterte, dass sich auch die steuerberatende Branche mit Deregulierungsbestrebungen auf europäischer Ebene auseinanderzusetzen habe. Es gebe einige Alleinstellungsmerkmale bei den freien Berufen in Deutschland, die der Europäischen Kommission ein „Dorn im Auge“ seien, wie zum Beispiel Titelschutz, Kammerzugehörigkeit und Vorbehaltsaufgaben.
Daher gebe es von der Kommission regelmäßig Bestrebungen zur Deregulierung auf diesem Gebiet. Hierfür zeigte Leuz ein gewisses Verständnis, sei es doch die Aufgabe der Parlamentarier, in erster Linie „europäisch zu denken“ und erst in einem zweiten Schritt nationale Belange einzubringen. Umso notwendiger sei der Schulterschluss der freien Berufe und ein gemeinsames Auftreten, um den europäischen Bestrebungen entgegenwirken zu können. Dies geschieht durch den Landesverband der Freien Berufe (LFB), in dem die AKBW ebenfalls vertreten ist.
Ein enger Austausch mit der Politik sei gefragt, um den Vertreterinnen und Vertretern auf europäischer Ebene zu vermitteln, dass die Berufsregelungen der freien Berufe dem Gemeinwohl dienen und für niemanden zum Nachteil sind. Daher ist es laut Schnepel durchaus erstrebenswert – wie es auch die allgemeine Beschlusslage sei – weiterhin am Bestehen einer HOAI mit den notwendigen Änderungen festzuhalten, mit der Maßgabe, dass auch andere Vereinbarungen getroffen werden können.
Allerdings müsse die Honorarordnung im ersten Schritt schnell minimalinvasiv verändert werden. Schnepel betonte, wie wichtig ein sensibler Umgang und Prozess seien. Für die Modifikation der HOAI werden starke Bundesländer gebraucht. Aber hierin stecke auch ein Dilemma: Bei den Bundesländern kann – ebenso wie beim Bund – nicht ganz ausgeschlossen werden, dass bei den Entscheidungen auch fiskalische Eigeninteressen eine Rolle spielen. So ist hier ein weiteres dickes Brett zu bohren, um Überzeugungsarbeit bei der politischen Basis zu leisten.