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Reg.Nr.: 2004-2-02Aufgabe: Entwurf eines dezentralen Pflege- und Wohnverbunds, bestehend aus Seniorenwohnanlage und Pflegeheim in Pfullingen
Auslober: Samariterstiftung Nürtingen, Siedlungswerk Stuttgart
Wettbewerbsart: beschränkt offener Realisierungswettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren
Zulassungsbereich: EWR
Teilnahmeberechtigung: Freiberufliche Architekten
Teilnehmer: 30 (20 Geloste + 10 Gesetzte)
Fachpreisrichter: Max Bächer, Darmstadt; Heiner Giese, Rottenburg; Werner Hochstetter; Hans-Dieter Kaiser, Stuttgart; Arno Lederer, Stuttgart (V); Bruno Möws, Siedlungswerk; Karl-Jürgen Oehrle, Pfullingen; Christine Reck, Biberach; Christine Remensperger, Stuttgart; Rainer Storz, Nürtingen
Wettbewerbssumme: 62.500,00 Euro
Preisgerichtssitzung: 12.05.2004
Die städtebaulichen Grundüberlegungen des Entwurfs verdeutlichen sich selbst:
- Die Blockstruktur der Altstadt wird aufgegriffen und durch Schließung der Gr. Heerstraße fortgeführt. - Das Thema der Innenhöfe wird auf das zu sanierende Stadtquartier übertragen. - Eine Vernetzung der entstehenden Binnenbereiche mit den Nachbarquartieren gewährleistet eine gute Verknüpfung mit dem Stadtkern und den öffentlichen Einrichtungen.- Ein neuer Quartiersplatz könnte durch spätere Ergänzungsbauten eingefasst werden und eine Bereicherung für den gesamten Wohn- und Pflegebereich und für die benachbarten Wohnquartiere.- Alles ist mit einem sicheren Gefühl für klare räumliche Proportionen gemacht und zu einem überzeugenden stadträumlichen Konzept zusammengefasst, das auf die örtlichen Stadtstrukturen eingeht und sich gut in die vorhandene Bebauung einfügt.
Die Aussagen zur äußeren Gestaltung der Baukörper und Fassaden halten sich zwar in Bezug auf deren Materialisierung zurück, lassen aber durchaus die beabsichtigte Gliederung und Maßstäblichkeit erkennen. Vorteilhaft ist das zur Gr. Heerstraße abfallenden Gelände ausgenutzt, wodurch die Anordnung von Pflegezimmern auf einem hochgelegten Sockel über dem Straßeniveau ermöglicht wird. Die beiden Eingänge sind den deutlich ablesbaren Baukörper so zugeordnet , dass deren gewünschte Eigenständigkeit gewährleistet ist. Die vertikale Erschließung durch die beiden Treppenhäuser ist sparsam gelöst und müsste eventuell noch durch eine weitere notwendige Treppe ergänzt werden. Dabei sollte versucht werden, eine Durchwegung des gemeinsamen Aufenthaltsraumes zur Erschließung der zweiten Pflegesta-tion zu vermeiden. Mit Ausnahme von 8 Pflegeeinheiten ist es gelungen, alle anderen Einheiten optimal zu belichten und zu besonnen. Die gut dimensionierten Räume erlauben eine zweck-mäßige Möblierung. In der großzügigen und einfachen Grundrissausbildung spiegelt sich sowohl die Aufmerksamkeit die der Verfasser der inneren Orientierung zu Licht und Ausblick wie auch der Orientierbarkeit innerhalb des Gebäudes geschenkt hat, so dass man sich gut in diesem Gebäude zurechtfinden würde. Ein Vorteil des Vorschlages ist die Teilbarkeit in unabhängige Bauabschnitte, von denen der zweite sich gut für eine spätere Bebauung eignen würde. Das konstruktive System ist klar und übersichtlich und wäre ohne besonderen Aufwand umsetzbar. Die Grundstücksfläche wird günstig genutzt. Auch die rechnerischen Werte liegen unter dem Mittel, so dass von einem preisgünstig realisierbaren und städtebaulich schlüssigen Konzept ausgegangen werden kann. Die Gedanken zur Minimierung der Primärenergie und zur Wärmerückgewinnung sind professionell, wie der ganze Entwurf, der mit einfachen Mitteln zur einer angemessenen Lösung an dieser Stelle kommt, die ohne Zweifel das Stadtquartier 14 aufwerten würde. Die NGF pro Platz ist leicht überschritten, ebenso die Verkehrsfläche. Der Grad der Überschreitung ist tolerabel. Insgesamt sind sämtliche erforderliche Räume nachge-wiesen. Die Funktionalität ist gewährleistet. Auch im Bereich der Seniorenwohnungen sind die Kennzahlen eingehalten. Aus Sicht des Auslobers und Betreibers muss die Zuordnung von neun Pflegezimmern zur Gr. Heerstraße trotz ihrer höheren Lage als Mangel des Entwurfs kontrovers diskutiert wird, dass eine große Anzahl der Seniorenwohnungen zur Gr. Heerstraße hin orientiert ist. Das Konzept bietet diesbezüglich jedoch viele Entwicklungsmöglichkeiten.
Die Entlastung der Innenstadt vom Durchgangsverkehr erlaub eine Neuinterpretation der seitherigen Situation an der Gr. Heerstraße. Das hat zur Folge, dass das bisherige Paradigma der konsequenten Lärmabschottung zu Gunsten eines verlebendigten Stadtraumes verändert werden kann. Die Schaffung von Pflege- und Altenwohnungen in Verbindung mit zusätzlicher Wohnbebauung in Form neuer städtischer Quartiere parallel zur Heerstraße führt zu einer vernetzten und verdichteten Stadtsituation. Über öffentliche Fußwege werden auf diese Weise Kernstadt, Gemeindehaus, Seniorenheim, Kindergarten, Schule und Turnhalle direkt miteinander verknüpft. Darüber hinaus wird der Grünbereich des Stadtgartens in südlicher Richtung weiter geführt und die Ost-Westverbindung zwischen den Stadtteilen gestärkt. Die vorgeschlagenen Gebäude/Gebäudeteile des Pflege- und Wohnverbundes orientieren sich im Maßstab und Volumen an den gegenüberliegenden Gebäuden. Die Erschließung des neuen Quartiers beginnt mit einem aufgeweiteten Gehweg, der den Automobil bestimmenden Charakter der Gr. Heerstraße deutlich abmildert. Über eine Seitenstraße erreicht man den zentralen Vorplatz, der alle Eingänge bündelt und sie dennoch in ihrer Bestimmung erkennen lässt. Die Qualität der Wege, der Plätze und der Innenhöfe verleihen dem projektierten Gebäude Großzügigkeit und schaffen angenehme Gelegenheiten zum Verweilen. Die Einfahrt zur Tiefgarage an der Nordgrenze des Grundstücks scheint die erforderlichen Radien nicht einhalten zu können. Die Anlieferung zum Haus ist nicht nachgewiesen. Allerdings ist an der nördlichen Gebäudefront eine geringere Abstandsflächenverletzung festzustellen. Die vorgeschlagenen, zusätzlichen Gebäude befinden sich in einem vermarktbaren Bereich, ohne zugleich Vorbedingungen für das Gesamtprojekt auszulösen. Die horizontale Schichtung der Funktionen in der Seniorenanlage erlaubt eine klare Zuordnung und Erkennbarkeit der Gebäudenutzung. Im Pflegebereich wird kritisch angemerkt, dass einzelne Gruppenzuschnitte nicht den Vorgaben entsprechen, wenn gleich die Summe der Pflegeplätze exakt eingehalten ist. Zu dem sind 10 Pflegeräume Nordwest orientiert. Die Überschreitung der Nettogrundrissfläche pro Platz ist nicht tolerabel. Ebenso die Überschreitung der Verkehrsfläche. Die vorgegebenen Gruppengrößen wurden nicht beachtet. Dies führt zu einer funktionellen Einschränkung bei den einzelnen Gruppen. Die angebotenen Rundwege führen jeweils durch den öffentlichen Bereich, zum Teil durch das Foyer. Das ist gerade bei den Demenzkranken nicht tolerabel. Die betreuten Altenwohnungen besitzen Ost-, Süd- und Westausrichtung und gliedern sich in zwei getrennte Gebäudeteile. Die Verknüpfung von Innenräumen und Aussenbereichen bestimmt die Aufenthaltsqualität im Haus. Die Ansichten sind angemessen gegliedert und gut porportioniert. Angaben über Materialwahl und Konstruktion sind jedoch nicht aufgeführt. Nach den vorliegenden unterdurchschnittlichen Werten des umbauten Bruttorauminhaltes und der überbauten Grundstücksfläche ist eine wirtschaftliche Umsetzung zu erwarten. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Neuinterpretation des östlichen Quartiers an der Heerstraße als durchlässiger Stadtteil durch die vorgeschlagenen Baukörper gut gelungen ist, wenngleich im Pflegebereich nicht alle Anforderungen im vollen Umfang umgesetzt wurden.
Die Altenwohnanlage basiert auf einem mittigen Erschließungstrakt mit 4 seitlichen Wohnflügeln. Dabei wird das Straßenbild von zwei 3-geschossigen Giebeln gebildet, die sich im Maßstab sehr gut in die vorhandene Randbebauung einfügen und zugleich nach außen die Wohnanlage sehr ansprechend dokumentieren. Die Giebel werden sehr schön durch eine lärmabschirmende Mauer zusammengefasst. Die Erschließung über zwei Straßen nördlich und südlich des Neubaus erfolgt auf einfache Weise und bedient zugleich die Uhlandhalle und einen vorgeschlagenen zusätzlichen Wohnbau im Süden. Dem Verfasser gelingt es, durch die Gliederung der Baumasse in zwei weitgehend getrennte Häuser den Heimcharakter zu vermeiden. Baukörper und Fensteröffnungen sind durchweg gut proportioniert. Die drei Höfe bilden ein gutes Angebot auch für die -Demenzkranken- die Flächenausnutzung überzeugt. Die knappe Zugangssituation beider Einrichtungen wird kontrovers diskutiert. Die innere Organisation und Wegeführung ist unübersichtlich. Das Dienstzimmer der vordersten Pflegegruppe liegt ungünstig. Die Aufweitungen der Flure sind überzogen; die Pflegezimmer der Demenzgruppe sind zu klein, die Flure teilweise zu knapp. Die Gemeinschaftsbereiche liegen gut zu den Höfen bzw. zur Gr. Heerstraße. Alle Wohnungen und alle Pflegezimmer liegen zur Sonne (Osten, Süden und Westen). Nur zwei Wohnungen liegen zur Gr. Heerstraße ( im 1. und 2. OG). Die Wohneinheiten sind gut zugeschnitten. Die tragende Struktur verspricht eine wirtschaftliche Bauweise. Aussagen zur Materialität werden keine gemacht. Die Kennziffern liegen durchweg unter dem Durchschnitt der Arbeiten, speziell im Seniorenwohnen. Das Einebnen des Terrains sollte nochmals überdacht werden. Die Vorzüge der Arbeit liegen in der Außendarstellung der Bauaufgabe, speziell zur Gr. Heerstraße und ihrer Wirkung in die Öffentlichkeit. Auch sind die komplexen funktionalen Anforderungen durchweg erfüllt. Leider fallen die innenräumlichen Qualitäten dagegen etwas ab. Die Funktion der Demenzgruppe ist gegeben. Die Orientierung bei der Erschließung ist unklar und bedarf einer Klärung. Die Pflegegruppen 1 und 2 sind insgesamt schlüssig und funktionabel dargestellt. Kleinere Verbesserungen in den Abläufen und Lage von Räumen z.B. Dienstbereich, Pflegegruppe 1, sind nötig und machbar. Die Nettogrundfläche pro Platz ist bei 51,66 m² zu hoch, insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass 12 Zimmer nur 14 m² groß sind. Hier waren 17 m² verlangt. Außerdem ist der Flur in einigen Teilen nur 1,80 m breit. Dies ist aus brandschutztechnischen Gründen bedenklich. Die Lage und Orientierung der Wohnungen sind in Ordnung. Insgesamt unterschreiten die Wohnungen die Programmfläche.
Die gesamte städtebauliche Ausformung der geplanten Gebäude wirkt maßstäblich zur bestehenden Bebauung. Der Vorschlag der Verfasser, die Große Heerstraße zu fassen, wird positiv bewertet. Dadurch schafft er für das Seniorenzentrum einen ruhigen Bereich. Die Trennung der Erschließung für die Besucher und die Anlieferung ist positiv und gut gelungen. Allerdings ist für die Fußgänger der Zugang über den Parkplatz wenig attraktiv. Die Erschließung der Uhlandhalle geht über ein fremdes Grundstück, ist derzeit also nicht realisierbar. Die Freiflächen sind großzügig, führen aber zu einem relativ hohen Grundstücksverbrauch (4.500 m²). Das Gebäude wirkt in seiner gegliederten Struktur und seiner Fassadengestaltung sehr ansprechend. Die Eingänge sind leicht auffindbar und funktional gut gelöst. Die Gruppenstruktur bildet sich sehr gut ab und hilft zur Orientierung. Durch die fächerförmige Ausbildung der drei Baukörper ergibt sich eine gute Belichtung, sowohl der Pflegeheim-Zimmer als auch der Wohnungen. Einige Pflegeheim-Zimmer liegen mit mit einem Abstand von 10 m gegenüber anderen Pflegeheim-Zimmern etwas eng aufeinander. Die Nordorientierung der Hälfte der Zimmerspangen ist kritisch zu bewerten. Der Grundriss des Pflegeheims ist funktionabel. Die Zuordnungen sind richtig und wirtschaftlich. Die Flächenrichtwerte sind nur geringfügig überschritten. Die Differenz bei der Wohngruppenverteilung ist akzeptabel. Sie wäre gegebenenfalls auch noch zu korrigieren. Die Wohnungen sind sowohl vom Zuschnitt als auch von ihrer Ausrichtung, überwiegend nach Süden, gut gelöst. Auch die Zuordnung der Abstellräume ist ein gut gelungen. Der Entwurf weist sehr günstige Wirtschaftlichkeitskennziffern auf, insbesondere eine geringe NGF/Platz und geringe Verkehrsfläche sowie eine günstige Kubatur. Insgesamt ist dem Verfasser ein überzeugender Entwurf in Maßstäblichkeit und Gestaltung gelungen. Die Erschließung der Uhlandhalle ist jedoch nicht gelöst.
Vier gereihte und gegeneinander versetzte Baukörper werden mit ihrer Giebelseite zur Großen Heerstraße vorgeschlagen, mit dem Ziel der Südorientierung aller Wohnungen und der Abkehr dieser vom Straßenlärm der Großen Heerstraße. Eine geschoßhohe Ziegelmauer entlang der Großen Heerstraße bildet die gewünschte Raumkante und setzt mit den aus dieser Mauer heraus sich entwickelnden Giebel die Maßstäblichkeit der Bestandsbebauung fort. Durch die tangential angeordneten Stichstraßen des Planungsgebietes werden die rückwärtigen Nutzungen (Uhlandhalle, Garage) erschlossen. An dieser sind die notwendigen Stellplätze nachgewiesen. Die sich zwischen den Erschließungswegen und der Bebauung ergebenden Freiflächen werden im EG jeweils den Pflegeeinheiten als abgeschlossene Höfe mit Mängel hinsichtlich Größe und Nutzungsmöglichkeit angeboten. Der Flächenbedarf des Entwurfes lässt keine zusätzlich geforderten Ergänzungsbauten zu, die Flächenvorgabe für das Grundstück des Pflege-/ Wohnverbunds wird gravierend überschritten. Über die topografische Höhenentwicklung im Planungsgebiet wird keine adäquate Aussage gemacht. Über eine Öffnung in der großen Mauer entlang der Heerstraße mit Blickbezug von der Altstadt gelangt man über einen geschützten Eingangshof in den zentralen Zugang des Pflegebereichs. An diesem partizipiert ein Eingang des Betreuten Wohnens. Ein zweiter erforderlicher Eingang für das Wohnen befindet sich im Anlieferhof, was irritiert. Die drei im EG situierten Pflegegruppen verlieren durch ihre Quererschließung und der dort angeordneten Nebenräume/Tagesbereiche an Orientierung. Die Nordausrichtung von 50% der Pflegezimmer wird negativ beurteilt. In den beiden Obergeschoßen sind jeweils 2 Wohnflügel an ein Treppenhaus angelehnt. Innerhalb der Verschiebung dieser, ergeben sich ungünstige Situationen für das Wohnen. Die Organisation der Wohnungen ist ansonsten positiv bewertet. Die 6 Pflegeappartements sind, wie gefordert, zusammenhängend im 1. OG angeordnet. Die Nettogrundrissfläche pro Platz und die Verkehrsfläche sind geringfügig höher als die Vorgabe. Sie liegen im tolerablen Bereich. Die Anordnung von Funktionsräumen ausserhalb des Kerns in einer extra Gebäudespange führt zu unnötig langen Wegen. Die Abweichung der Pflegezimmer (1 m² kleiner als die Vorgabe) kann toleriert werden, sofern der Gesamtzuschnitt des Zimmers die sonstigen Anforderungen (Bettstellung) erfüllt. Die Veränderung der Gruppengröße der Demenzgruppe um einen Platz ist tolerabel. Die wirtschaftlichen Kenndaten für diesen Entwurf liegen im mittleren Bereich. Das zu erwartende Maß der zu umhüllenden Flächen erscheint jedoch zu aufwendig. Insgesamt ist der Entwurf hinsichtlich seiner angenehm zurückhaltenden Geste in Bezug auf Materialität und Maßstäblichkeit städtebaulich an der Großen Heerstraße posi-tiv zu bewerten. Leider sind den zwei vorgeschlagenen Häuser für das betreute Wohnen keine entsprechenden gleichwertigen Adressen zugewiesen.