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Reg.Nr.: 2004-2-08Aufgabe: Neubau des Wohn- und Geschäftshauses Hindenburgstraße 11 in Biberach
Auslober: Katholische Kirchengemeinde St. Martinus und St. Maria Biberach
Wettbewerbsbetreuung: Anna Blaschke, Freie Architektin, Stuttgart
Wettbewerbsart: Realisierungswettbewerb als Einladungswettbewerb im vereinfachten Verfahren
Zulassungsbereich: regional begrenzt
Teilnahmeberechtigung: Architekten
Teilnehmer: 7
Fachpreisrichter: Heiner Giese, Rottenburg; Hans Klumpp, Aichtal (V); Julius Ogertschnig, Biberach a.d.R.; Markus Mangold, Rottenburg
Wettbewerbssumme: 9.540,00 Euro
Preisgerichtssitzung: 29.10.2004
Der Verfasser wählt ein zur Hindenburgstraße hin giebelständiges Haus, das mit unterschiedlichen Traufhöhen spielerisch zwischen dem Gebäudehöhe der Nachbargebäude vermittelt. Es entsteht eine asymmetrische Giebelfigur, die das sympathisch „Verwinkelte“ der alten Stadt wiederspiegelt. Die Fassadengliederung und die Rhythmik der Befensterung nimmt dieses Thema auf und erreicht trotz großer Öffnungen eine altstadtkonforme moderne Fassade. Die in den Leibungen tiefer liegende Befensterung schafft Tiefe und zusätzliche Profilierung. Ansonsten wird auf überflüssige Zutaten verzichtet. Die Grundrisse sind in allen Geschossen gut strukturiert und die Wohnungen in den Regel-geschossen sind klar zoniert, hervorragend belichtet und versprechen hohen Wohnwert.Die Dachgeschosswohnung als Maisonnette entwickelt, lebt von Öffnungen, Durch- und Ausblicken und vor allem von einer subtilen Lichtführung durch ein firstbegleitendes Lichtband. Die einfache und klare Konstruktion, der kompakte Baukörper, bescheidene angemessene Fassadengestaltung lassen eine kostengünstige wirtschaftliche Realisierung erwarten. Der Entwurf überzeugt in städtebaulich architektonischer und wirtschaftlicher Hinsicht.
Das Gebäude ist in zwei Baukörper unterteilt (Hauptgebäude und eingeschossiger Anbau), die über eine Glasfuge im EG miteinander verbunden sind. Die Gebäudehülle des Baukörpers ist einfach gehalten. Der Anbau stellt einen weitgehend geschlossenen Baukörper dar, der ledig-lich über die Glasfuge und ein Fenster im Lichthof belichtet wird. Die Giebelfassaden des Hauptgebäudes sind in den Obergeschossen symmetrisch aus-gerichtet, lediglich im EG (Ladengeschoss) wird die Traufseite zur Gasse mittels Übereck-verglasung betont. Das Raumprogramm ist erfüllt. Wohneinheiten und Laden sind im EG getrennt. Der Personal-raum im UG wird über den Lichthof mit Tageslicht versorgt. Die Lage der Treppe ermöglicht funktionsfähige Wohneinheiten. Im 1.OG mit Dachterrasse auf gleicher Ebene über dem Anbau und im 2. OG als Maisonette-Wohnung mit „Loggia“ im Dach. Die Herleitung von Lochfassade mit Fensterläden als Fensterbänder und deren Übersetzung in ein modernes Element ist nachvollziehbar. Die Umsetzung erscheint jedoch zu differenziert und laut. Die privatrechtlichen Belange wurden weitestgehend berücksichtigt. Putzfassade und Biberschwanzdachdeckung entsprechen der Stadtbildsatzung und passen zur einfachen Gebäudeform.Mit der großen Lösung ergeben sich für die Wohneinheiten sinnvolle Erweiterungen (z.B. Büro, Arbeitszimmer, Kinderzimmer).Über die gesamte Ladentiefe wäre theoretisch eine Anbindung zum Nachbarn vorstellbar. Die größere Wohneinheit wird schwer zu vermieten sein, vor allem in der großen Lösung. Wesentlich am Entwurf ist die Geradlinigkeit und Klarheit der Außenhülle, die man als „das Haus“ bezeichnen könnte. Durch die Fassadeneinschnitte und aufgesetzten Fensterbänder wird die Eindeutigkeit eher getrübt. Durch die einfache Gebäudeform ist prinzipiell mit einer wirtschaftlichen Lösung zu rechnen.
Wie baut man ein neues Haus in historischer Umgebung ? Von dieser Frage schienen sich die Entwurfsverfasser leiten zu lassen als sie, inspiriert von den vielfältigen Strukturen der Biberacher Altstadt, den Entwurf für das Wohn- und Geschäftshaus in der Hindenburgstraße konzipierten. Als markante gemeinsame Strukturen, die alle Häuser der Altstadt verbinden wurden kompakte Baukörper, Bekleidungen und proportionierte Fassadenöffnungen ausgemacht. Der vorliegende Entwurf versucht diese vorgefundenen Gestaltungselemente aufzugreifen und in eine zeitgemäße Sprache zu transformieren. Im Stadtbild erscheint das Gebäude homogen und eigenständig. Dieser Eindruck wird durch die baukörperliche Plastizität, die durchgängige Lochfassade sowie durch die Materialwahl unterstrichen. Jedoch die Tiefe des Giebelteils und der Glasprismenaufsatz werden hierbei vom Preisgericht kritisch beurteilt. Die Ausweisung eines vierten Geschosses entspricht nicht der Auslobung. Die Lage der Erschließung ist geschickt gewählt, sodass die nicht überbaubare Fläche unbeansprucht bleibt bzw. ggf. als Aufzugsfläche herangezogen werden kann. Gleichzeitig erschließt das Treppenhaus alle Funktionsebenen in optimaler Weise. Die Funktionen von Eisdiele und Wohnungen sind geschickt angelegt und eindeutig zu den gut belichteten Gebäudeseiten orientiert. Ein besonderer Gewinn stellen die angebauten Dachterrassen für die beiden Stadtwohnungen dar. Obgleich sie baurechtlich bedenklich erscheinen, kommen insbesondere diese Freiflächen die Wohnqualität der Stadthäuser und damit auch die Attraktivität der Innenstädte helfen können. Der Aufbau der Fassade dient nicht nur dem neuen Gebäude als Bekleidung, sondern liefert mit subtilen halbgeschossigen Versprüngen einen Beitrag zum räumlichen Erleben des Straßenraumes. Maßstäblichkeit der Einzelelemente und Materialwahl aber bleiben dem Standort fremd. Die Konstruktion ist wirtschaftlich, da sie kurze Spannweiten vorweist und durchgängige Lastabtragungen vorsieht. Die Raumkubatur und die angebotene Fläche überdurchschnittlich. Der vorliegende Entwurf ist ein Beitrag, dem es gelingt, historische Gestaltungselemente in die Moderne zu transportieren, dem damit ein attraktives Wohn- und Geschäftshaus anzubieten, das selbstbewußt und harmonisch in die Biberacher Altstadt steht.