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Foto: Baldauf Architekten (Abb. 1, 5), Achim Birnbaum (Abb. 3, 4), Astrid Schmelzer (Abb. 5 Hochformat)
Hospitalplatz, Büchsenstraße, Gymnasiumstraße, Hohe Straße70174 Stuttgart-Mitte
Baubeginn September 2014, Fertigstellung Oktober 2015Baukosten der Vollsanierung ca. 3.5 Mio. €Fläche ca. 8.700 m²
AusgangssituationDie automobile Prägung des Straßenraums der Nachkriegszeit nahm dem Stuttgarter Hospitalviertel die Luft zum urbanen Leben. Die schmalen Gehwege der von Parkplätzen gesäumten Einbahnstraßen ließen den Fußgängern nur wenig und einer Aufenthaltsqualität überhaupt keinen Raum. Die Stadttangente Theodor-Heuss-Straße durchtrennt zudem das Gebiet der zweiten historischen Stadterweiterung, zu der das Hospitalviertel gehört, und schneidet es von der Innenstadt ab.Erforderlich war eine starke Querverbindung, um das Viertel wieder zwischen der Innenstadt und dem nördlich anschließenden Kulturzentrum Liederhalle zu verankern. Diese Funktion konnte die Büchsenstraße in ihrer herkömmlichen Rolle des Parkplatzlieferanten für Innenstadtbesucher nicht erfüllen.Erforderlich war auch eine neue Bewertung der ebenfalls KFZ-geprägten Aufweitung der Hospitalstraße, dem heutigen Hospitalplatz, damit die wiederaufgebaute Ruine der Hospitalkirche mitsamt dem Neubau des Hospitalhofs als Keimzelle des Stadterweiterungsgebiets ihrer Bedeutung entsprechend erlebbar wird.
Zielsetzungen und Vorgehensweise der Umgestaltung Raum für Stadtleben schaffen – mit dieser Zielsetzung sollte die Büchsenstraße als fußgängerfreundliche Stadtachse und der aufgeweitete Straßenraum der Hospitalstraße vor der denkmalgeschützten Hospitalkirche als Platz entwickelt werden. Nun sind Orte zum Verweilen entstanden, die Begegnung zwischen den Anliegern, den Tagespendlern und Besuchern der Einrichtungen im Quartier ermöglichen und dem Miteinander dienen. Aber nicht nur die Schauseite, sondern auch die von täglich über tausend Gymnasiastinnen des St. Agnes aufgesuchte Gymnasiumstraße wurde mit Baumpflanzungen und Gehwegverbreiterungen aufgewertet und fußgängerfreundlicher, ebenso die Hohe Straße. Damit schließt sich der Kreis der Erneuerung um den historischen Kern des Hospitalviertels.
Beteiligung fördert Kreativität! Die Fachplanung des Bauprojekts wurde durch ein professionelles Beteiligungsmanagementn ergänzt, unterstützt von der Bürgerstiftung Stuttgart. Das ermöglichte das Einbringen von lokalem Expertenwissen und gesellschaftlichem Potential sowie eine flexible Handhabung von Standards. Diese betont dialogorientierte Beteiligung verbesserte die fachliche Planung in vielen Details und stärkte den sozialen Zusammenhang. Sie ließ außerdem Spielraum für unkonventionelle Lösungen: Die Idee der blauen "Wanderstühle", ein sozial ausgerichtetes von Anliegern getragenes Upcycling-Projekt ist das Ergebnis der Diskussion über Sitzgelegenheiten.Inklusion und Gestaltung auf Augenhöhe wurde trotz der vielfältigen und widersprüchlichen Anforderungen durch den engen Austausch mit allen Teilhabern möglich. Im Fokus stand stets das gute Ergebnis, nicht das Normwesen. Der Aushandlungsprozess ging deshalb bis in die Detailplanung.
ErgebnisDie Büchsenstraße wurde innerhalb kürzester Zeit zur belebten und gut angenommenen Fußgänger-Stadtachse. Wie auch der Hospitalplatz ist sie nicht nur gestalterisch aufgewertet, sondern hat ein soziales Band erhalten, das nachhaltig die Aufwertung unterstützt. Das blaue Wanderstuhlprojekt stärkt die Besonderheit des Quartiers. Historische Spuren samt Baumbestand der 1960er Jahre sind bewahrt und in ein neues Ganzes überführt. Das Viertel erhielt mit diesen Maßnahmen ein aus sich selbst heraus entwickeltes Herz, das als dauerhafter Impuls für den gesamten Organismus Hospitalviertel wirkt.
Bauliches KonzeptDie Umgestaltung umfasst vier, teilweise als Fußgängerzone entwickelte Straßen- und Platzräume: Büchsenstraße, Hospitalplatz, Gymnasiumstraße und Hohe Straße. Die Gestaltungslinie ist insgesamt zurückhaltend und ruhig gehalten. Dadurch wirkt der öffentliche Raum, an den vielfältige Anforderungen gestellt werden, großzügiger als er eigentlich ist. Die aus dem Renaissance-Straßenraster herausgedrehte, historische Ruine der Hospitalkirche samt dem neu errichteten Hospitalhof wird rundum durch Materialität und Verlegemuster des Plattenbelags sowie Behandlung des Asphaltbelags gleich einem "Plateau" betont. Eine Betonung erhält auch die zur Fußgänger-Stadtachse ausgebildete Büchsenstraße. Die komplett erhaltenen Baumstandorte bilden die Geschichte des Viertels ab und sind gestalterisch durch minimierte Baumbeeteinfassungen in die neue Struktur eingebunden. Der Erhalt der Baumreihe am Hospitalplatz ist Ergebnis kontroverser Diskussionen, deren Lösung darin bestand, zwei Bäume auf der gegenüberliegenden Seite nachwachsen zu lassen, damit eines Tages die fünf Einzelbäume vor der Ruinenwand abgängig sein dürfen. Die "normalen" Straßenzüge Gymnasiumstraße und Hohe Straße werden vor allem durch Baumpflanzungen und verbreiterte Gehwege aufgewertet. Das Beleuchtungskonzept unterstützt die Gestaltungslinie. Die Blindenführung erfolgt vorwiegend an Wänden, situativ ergänzt durch Blindenleitlinien. Nullabsenkungen mit Aufmerksamkeitsfeldern und doppelte Querungsstellen erfüllen die widersprüchlichen Anforderungen von Seh- und Körperbehinderten. Flächen für das Aufbauen von Marktständen, einer Hüpfburg, von Außengastronomie und das Sammeln der Wanderstühle sind definiert und berücksichtigen Gestaltungs- und Nutzungsbedarfe. Falschparker werden durch Fahrradbügel, Sitzwürfel, Poller und Mülleimer abgehalten.
Möblierungskonzept Wanderstuhl"Wo und worauf ich sitze, bestimme ich", war Tenor der Möblierungsgruppe für das Umgestaltungsprojekt. In Zusammenarbeit mit Studenten der Hochschule für Technik Stuttgart, unter Leitung von Prof. Wolfgang Grillitsch, wurde dieser Anliegerwunsch in ein mobiles Bestuhlungskonzept überführt, das auf einem sozialen Upcycling-Prozess basiert. Über einen Spendenaufruf werden stadtweit ausgemusterte Stühle gesammelt. Diese werden durch soziale Werkstätten aufbereitet und farblich einheitlich beschichtet. Anlieger rund um Hospitalplatz und Büchsenstraße überwachen die Funktionstüchtigkeit, den Standort und die Anzahl der Stühle – und ermöglichen ihre Winterlagerung. Die Mitnahme in private Haushalte ist einkalkuliert. Regelmäßig wird ein neuer Sammel- und Upcycling-Prozess angestoßen. Die individuelle Geschichte eines jeden Stuhls kann via QR-Code abgelesen werden. Somit lernt der Sitzende den Spender und die Geschichte des Stuhls kennen. Das Gelingen dieses Projekts macht täglich den starken sozialen Zusammenhalt rund um den Hospitalplatz deutlich.
Aktuelle Ergebnisse, die Prämierungen aus den letzten beiden Jahren sowie die ausgelobten Verfahren in diesem Jahr inklusive Tipps zur Teilnahme finden Sie hier.