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Am Ende ging alles ganz schnell. Augenzeugen, die die entscheidende Abstimmung im DeutschenBundesrat am 6. November 2020 via Livestream verfolgten, berichteten, dass in einer solchen Geschwindigkeit die Stimmen abgegeben wurden, die keine Chance zur Nachverfolgung ließ. Doch eines stand dann fest: Der Bundesrat stimmte sowohl dem ArchLG als auch der HOAI zu. Seit 1. Januar 2021 gibt es somit eine neue HOAI 2021, die die bisherige HOAI 2013 ablöst. Was sich am Ende leicht und locker zusammenfassen lässt, war am Anfang alles andere als absehbar.
Rückblende: Am 4. Juli 2019 stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass die bisherige Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI, das verpflichtende Preisrecht also, europarechtswidrig ist. Ein Paukenschlag, den politische und juristische Kommentatoren mit dem Ende der HOAI gleichsetzten. Abwegig waren diese Todesgesänge nicht: Denn die HOAI stand für ihre Honorarverbindlichkeit, die Mindest- und Höchstsätze waren die Eckpfeiler für Qualität, Verbraucherschutz, Baukultur. Der EuGH ließ den Eckpfeiler wegbrechen, obwohl er in seiner umfangreichen Entscheidungsbegründung durchaus Sympathie und Verständnis für die deutsche Regelung aufbrachte.
Es half nichts: Architektenverträge sollen nach dem Willen der europäischen Richter zukünftig frei, ohne die Vorgabe verbindlicher Mindest- und Höchstsätze geschlossen werden können. Radikalste, aber keineswegs unlogische Folge wäre gewesen, die ganze HOAI abzuschaffen. Die HOAI ist eine Rechtsverordnung. Sie wird von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. Die HOAI ist also kein Gesetz, sondern es bedarf eines eigenen Gesetzes, um eine Rechtsverordnung verabschieden zu können. Für die HOAI ist diese Ermächtigungsgrundlage das „Ingenieur- und Architektenleistungsgesetz“ (ArchLG). Das ArchLG regelt etwas vereinfacht gesagt, dass es die HOAI überhaupt geben darf – und zwar mit verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen. Wenn aber diese Verbindlichkeit wegfallen muss, fällt die ganze HOAI in sich zusammen. Denn auf der Verbindlichkeit fußt unter anderem die Ermächtigungsgrundlage. So unbekannt das ArchLG in all den letzten Jahrzehnten war (in ihm ist übrigens auch das Koppelungsverbot geregelt), so bedeutend wurde es deshalb auf einmal für die HOAI und ihren Fortbestand.
Der Bundestag musste im ersten Schritt das ArchLG in der Form ändern, dass eine Honorarordnung auch ohne verbindliche Mindestund Höchstsätze fortbestehen kann. Federführend für die Änderungen des ArchLG war das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). Zwar ist das ArchLG kein Zustimmungsgesetz, kann also auch ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden, doch könnten Einwände des Bundesrates zumindest zu zeitlichen Verzögerungen führen.
Zeit war aber genau das, was der Gesetzgeber in Sachen HOAI nicht hatte. Der zeitliche Druck war spürbar. Denn der EuGH ließ in seiner Entscheidung offen, ob nicht durch die Einführung sogenannter Vorbehaltsaufgaben die Mindestsätze wieder rechtmäßig verbindlich werden könnten. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Der EuGH nennt es Inkohärenz, weniger wortgewandte Widersprüchlichkeit: Auf der einen Seite wurde die Verpflichtung eines bindenden Preisrechts mit Qualität, Verbraucherschutz, Baukultur begründet. Auf der anderen Seite dürfen fast alle Planungstätigkeiten auch von Nicht-Architekten ausgeübt werden. Juristen sprechen hier von fehlenden Vorbehaltsaufgaben. Rechtsberatung dürfen nur Rechtsanwälte leisten, Heilkunde nur Mediziner betreiben, aber planen darf – etwas vereinfacht gesagt – jeder. Hier witterte nun der EuGH eine Inkohärenz bzw. Widersprüchlichkeit. Denn warum wird denn bei der Planung nicht auch aus Gründen der Qualität, des Verbraucherschutzes, der Baukultur auf eine Verpflichtung wertgelegt, dass diese nur von Architekten und Ingenieuren ausgeübt werden darf? Die Planerverbände, angeführt von der Bundesarchitektenkammer, machten sich deshalb auch für die Einführung von Vorbehaltsaufgaben stark. Doch die zuständigen Bundesministerien winkten ab: Vorbehaltsaufgaben seien europarechts- und verfassungswidrig, ließen sie mitteilen. Es fehlte nur noch der Datenschutz, dann wären die „üblichen Verdächtigen“ komplett genannt gewesen, wenn sich eine Behörde einer komplizierten und komplexen Umsetzung verweigern will. Oder hatten sie am Ende Recht? Der Berufsstand kam ja viele Jahrzehnte auch ohne solche Vorbehaltsaufgaben aus. Auf der anderen Seite ist Planen und Bauen in den Jahren deutlich aufwendiger und anspruchsvoller geworden. In jedem Fall gab es ein schlagkräftiges Argument, das gegen die Einführung von Vorbehaltsaufgaben sprach: die Zeit. Denn Verstöße gegen das Europarecht müssen alsbald korrigiert werden. Gemeint ist damit rund innerhalb eines Jahres. In dieser Zeit würden aber Vorbehaltsaufgaben kaum eingeführt werden können.
Das BMWi entschloss sich gegenüber den Planern zu einem zweigliedrigen Vorgehen, frei nach dem Motto „Zuckerbrot und Peitsche“. Das Zuckerbrot ist die HOAI als solche. Das Ministerium bekannte sich uneingeschränkt zur HOAI und ihrer grundsätzlichen Fortgeltung. Die Radikalen, die mit der EuGHEntscheidung die ganze HOAI abschaffen wollten, konnten sich nicht durchsetzen. Die „Peitsche“waren die Inhalte. Da war zum einen das Drängen nach einer richtigen, umfangreichen Reform. Die bisherige HOAI aus dem Jahre 2013 muss renoviert werden. Indes war dafür keine Zeit. „Minimalinvasiv“ war das Wort der Stunde, denn so benannte das Ministerium die HOAI-Änderungen. Geändert werden sollten nur solche Paragrafen, die vom EuGH-Urteil umfasst waren, bei denen es also um die Verbindlichkeit ging. Alles andere sollte erst mal so bleiben. Zum anderen waren nicht alle vorgeschlagenen Änderungen im Planersinne.
Zunächst wandte sich die Bundesregierung dem ArchLG zu und legte einen Entwurf den Kollegen im Bundesrat vor. Der Bundesrat hat verschiedene Ausschüsse, in denen über Gesetzesvorschläge der Bundesregierung diskutiert wird. Der sogenannte Bauausschuss hatte gegen den Vorschlag der Bundesregierung keine Einwände. Für die Architektenhonorare federführend ist aber der Wirtschaftsausschuss und der kam zu einem anderen Ergebnis: Aus dem ArchLG müsste klarer hervorgehen, dass die HOAI-Honorare eine angemessene Bezahlung darstellten. Diese Auffassung ist allein deshalb bemerkenswert, weil es die HOAI weiterhin mit ihren Honorartabellen geben wird. Damit war aufgrund der EuGH-Entscheidung nicht zu rechnen. Freilich: Die Verbindlichkeit ist abgeschafft, dieHonorartabellen stellen allein eine Empfehlung und nunmehr Orientierungswerte dar. Umso beachtlicher war der Wunsch des Wirtschaftsausschusses, dass die Honorarwerte der HOAI als angemessen aufgewertet werden. Verbindlich werden sie dadurch nicht, dürfen sie auch nicht werden. Doch völlig belanglos sind sie als gesetzgeberische Empfehlung nicht. Wer sichergehen will, dass er seinen Architekten angemessen bezahlt, wird sich weiterhin an die HOAI halten. Der Bundesrat folgte seinem Wirtschaftsausschuss und nicht dem Bauausschuss und nahm dessen Empfehlung auf. Der Gegenpart im Bundestag, auch ein Wirtschaftsausschuss, übernahm den Rechtsgedanken und fügte einen Hinweis auf eine angemessene Honorierung in das ArchLG ein.
Die Planerverbände forderten, dass eine solche Angemessenheitsregelung auch in die HOAI aufgenommen wird, um diesen Gedanken noch stärker zu fokussieren. Bereits jetzt stand die Angemessenheit der Architektenhonorierung im Begründungstext der HOAI, aber eben nicht in der Verordnung selbst. Wieder kam es zu unterschiedlichen Ansichten der Ausschüsse im Bundesrat, diesmal mit umgekehrten Vorzeichen: Der federführende Wirtschaftsausschuss wollte es so lassen wie die Bundesregierung vorgeschlagen hatte. Die hatte von einer expliziten Angemessenheitserwähnungin der HOAI Abstand genommen. Einmal Angemessenheit im ArchLG sollte reichen. Anders diesmal der sogenannte Bauausschuss mit einem Danaergeschenk: Leutselig stimmte er der Planerforderung zwar zu, dass die Angemessenheit in den HOAI-Text aufgenommen werden könne. Doch ergänzend sollte es dann weiter heißen, dass auch Honorare ober- und unterhalb der HOAI-Sätze angemessen wären. Damit wäre die Angemessenheit sinnlos und vollständig entwertet gewesen. Alles wäre angemessen und damit die HOAI-Sätze keine Vermutung der Richtigkeit mehr.
„High Noon“ war nun am 6. November 2020 im Bundesrat: Was wird der Bundesrat machen, welchem Ausschuss folgen? Kein unrealistisches Szenario war, dass sich der Bundesrat gegen die Variante der Bundesregierung entschied, also dem Bauausschuss folgen würde und damit dem Entwurf nicht zustimmte. Der HOAI musste aber – im Gegensatz zum ArchLG – vom Bundesrat zugestimmt werden.Folge der fehlenden Zustimmung wäre gewesen, dass es keine HOAI mehr geben würde, sollte die Bundesregierung sich auf stur stellen. Doch an diesem Tag herrschte Konsens. Der Bundesrat folgte seinem Wirtschaftsausschuss, es änderte sich nichts mehr, die HOAI kommt, zwar ohne direkten Angemessenheitsbezug, aber mit Hinweisen in der Begründung. Das Schlimmste konnte verhindert werden, erklärte Markus Müller, Präsident der Kammer. Nach der HOAI-Reform ist vor der HOAIReform.Denn die minimalinvasive HOAI 2021 ist eine Übergangs-HOAI, den strikten Zeitvorgaben aus Europa geschuldet. Zeit und Platz für eine richtige Reform ist nun allemal. Und notwendig ist sie sowieso.
Am 1. Januar 2021 ist die neue HOAI in Kraft getreten. Diese Artikel-Serie beleuchtet die Neuerungen aus verschiedenen Blickwinkeln – unterschiedliche Auffassungen und Wahrnehmungen sind dabei nicht ausgeschlossen.