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Auf großes Interesse stieß das Einführungsseminar "Wie lässt sich das Thema Baukultur vermitteln?" am 15. Oktober 2008 in Stuttgart - einer Kooperationsveranstaltung von der Projektgruppe "Architektur macht Schule" und dem Institut Fortbildung Bau.
Zum Auftakt berichtete Professor Winfried Engels über die bisherige Arbeit der Projektgruppe, deren Vorsitz er inne hat. Dabei betonte er noch einmal, dass es bei der Initiative nicht darum gehe Berufsnachwuchs zu rekrutieren, sondern vielmehr den Bauherren und Investoren von morgen den Sinn für architektonische Zusammenhänge, für die Baukultur und für Stadtstrukturen zu schärfen.
Als Kunsterzieher und Fachberater für Bildende Kunst am Regierungspräsidium Tübingen legte Studiendirektor Wolfgang Stöhr zunächst das Augenmerk auf die Rahmenbedingungen für sein Fach:
In der Grund- und Hauptschule gäbe es Bildende Kunst gar nicht mehr, sondern sei in dem Fächerverbund "Mensch Natur und Kultur" bzw. "Musik Sport Gestalten" aufgegangen. In der Realschule und im Gymnasium werde sie - in der Regel von ausgebildeten Fachkräften - ein- bis zweistündig, in der Oberstufe mitunter auch vierstündig unterrichtet. Architektur ist im Bildungsplan 2004, dem verbindlichen Curriculum für Baden-Württemberg, quer durch alle Schularten, Klassenstufen und Fächer vertreten, also auch beispielsweise in Mathematik, Geografie und Geschichte. Gleichwohl hält Wolfgang Stöhr das Fach Bildende Kunst wohl zu recht als besonders geeignet, baukulturelle Themen aufzugreifen. Allerdings seien die wenigsten Kunsterzieher hierfür gut ausgebildet.
Einen entscheidenden Unterschied zwischen den Schularten sieht Stöhr in dem Klassenlehrer- bzw. Fachlehrerprinzip. So könne der Klassenlehrer in der Grundschule die Rhythmisierung seines Vormittags selbst festlegen ohne andere Kollegen zu tangieren. Im Gegensatz zu den weiterführenden Schulen mit dem Fachlehrerprinzip, wo nur ein- maximal zweistündige Unterrichtseinheiten möglich seien.
Der Studiendirektor ging auch auf die entwicklungsspezifischen Vorgaben von Kindern ein: Bis ungefähr zur sechsten Klasse seien sie "lebendig, assoziationsreich, personenorientiert, begeisterungsfähig". Entsprechend sei der Unterricht zu gestalten – Visualisierung und Anschaulichkeit gehörten ebenso dazu wie Methodenwechsel und wenig Abstraktion. Bei den Siebt- und Achtklässlern benannte er die Pubertät als dominierendes Phänomen. "Das Gefühlsleben ist mehr und mehr polar angelegt": Nach außen ein cooles Auftreten / nach innen tiefe Verunsicherung; Rückzugsbedürfnis / Sehnsucht nach Zuwendung; hinzu komme das ständige Austesten von Grenzen. Die Vermittlung von Inhalten verliefe idealerweise in einem ähnlichen Spannungsfeld: Dem Probieren, Experimentieren und Entfalten müssten klare Kriterien, zielgerichtetes Arbeiten und reflektierende Betrachtung gegenüberstehen.
Neunt- bis Zehntklässler seien mehr und mehr selbständig, obschon noch nicht wirklich erwachsen. Die Auseinandersetzungen fänden zunehmend auf rationaler Ebene statt. Zusammenhänge könnten kritisch reflektiert werden, gleichzeitig dürfe aber die Welt der Wunschvorstellungen nicht zu kurz kommen. Stöhr nannte als Beispiel-Aufgabe, die Schüler ihr Traumzimmer gestalten zu lassen. Interessanterweise kämen hier fast nie Kreationen im Bauhausstil heraus, vielmehr müsse es in diesem Alter überwiegend "gemütlich" sein.
Die Elft- bis Dreizehntklässler (Kursstufe) schließlich seien für sachliche Herausforderungen und Argumentationen ansprechbar. Sie könnten selbständig arbeiten und gezielt an architektonische Positionen herangeführt werden. "Ein besonderes Interesse besteht bei diesen nun erwachsenen Schülern an Phänomenen der gestalteten Umwelt, insbesondere an aktuellen Bezügen, zum Beispiel der Bau einer Mensa an der eigenen Schule oder die Planung einer Stadthalle in der Heimatstadt". Auf der Suche nach möglichen Aufgabenstellungen für ein eigenes Projekt war dies für die Seminar-Teilnehmer sicherlich ein guter Tipp.
Seit fünf Jahren führt die Architektin Barbara Thiele-Höfler Schulprojekte durch. Am Anfang stand ihr Eintritt in den Esslinger Planungsbeirat, über den wiederum die erste Kooperation mit einer Schule ins Leben gerufen wurde: Nachdem die Idee geboren war, wurden alle innenstadtnahen Grundschulen abtelefoniert bis sich ein Interessent gefunden hatte.
Frau Thiele-Höfler erarbeitete mit einer Kollegin ein Einstiegsprojekt, das sie später mit allen Gruppen wiederholen konnte. Bekannte aus dem Kollegenkreis und von der städtischen Verwaltung fungierten vielfach als Türöffner. Insgesamt standen alle, auch die Presse, den Projekten immer sehr wohlwollend gegenüber.
Mit anschaulichem Bildmaterial schilderte Frau Thiele-Höfler die verschiedenen Aufgabenstellungen und Durchführungen - vom Thema Brücke über das Wohnhaus bis hin zur Kirche. Ihrer zunächst rein ehrenamtlichen Arbeit folgte eine bezahlte Tätigkeit an einer Grundschule in Neuhausen, wo im Rahmen der offenen Ganztagesschule ein Angebot für Erst- bis Viertklässler gesucht wurde. Die dortige Schulverwaltung hatte übers Internet Kenntnis von den bisherigen Projekten bekommen. Dass es bei der Arbeit mit den Kindern durchaus auch Konfliktpotential gibt, machte Frau Thiele-Höfler ebenfalls deutlich. So sei es beispielsweise natürlich schwierig die vom Vormittagsunterricht ermüdeten Schüler um 14:30 Uhr wieder zu motivieren, der Altersunterschied von bis zu 4 Jahren falle ebenfalls mitunter ziemlich ins Gewicht.
Auch die freie Garten- und Landschaftsarchitektin Renate Bickelmann konnte hier von einschlägigen Erfahrungen berichten: "Unser strenger Zeitplan hat nicht geklappt, nachdem es allein eine Stunde dauerte bis die Gruppen gebildet waren." Diesen Unwägbarkeiten stünde aber gleichzeitig eine große Begeisterungsfähigkeit der Schüler gegenüber.
Frau Bickelmann hat nicht nur selbst Projekte durchgeführt, sondern leitet auch in Tübingen einen eigenen Arbeitskreis "Architektur macht Schule". Die Initiative dazu ging vom Kammergruppen-Vorsitzenden aus, Anlass war das Jugendbegleiterprogramm.
Die Mitglieder des 2006 ins Leben gerufenen Arbeitskreises seien in die Schulen gegangen, um mit den Lehrern das konkrete Interesse und den Bedarf abzuklären. In der Folge hat die Gruppe einen Leitfaden mit Themenvorschlägen für den Unterricht erarbeitet. Im Herbst 2007 gab es eine Veranstaltung zum Austausch zwischen Lehrern und Architekten - sehr erfolgreich, so dass sie im November 2008 wiederholt wird. Ziel sei, vor dem Hintergrund der bereits vorhandenen Ideen, Materialien und Erfahrungen weitere Schulprojekte anzuregen und durchzuführen. "In einem Arbeitskreis kann man vielfältiger arbeiten", so Frau Bickelmann über ihr Erfolgskonzept. Erste Pressekontakte seien hergestellt und zwischenzeitlich habe man auch immerhin ein Förderprogramm gefunden, das Gelder für solche Projekte beisteuert.
Unter Moderation von Claudia Knodel, die die Projektgruppe "Architektur macht Schule" von Seiten des Hauptamts begleitet, schloss sich eine Gesprächsrunde an. Mehrere Teilnehmer äußerten ihr Interesse an einer Kooperation mit Kollegen, um das Thema gemeinsam zu bearbeiten. Denn Teamwork und die Bildung von Netzwerken scheint angeraten, damit sich die - zumeist ehrenamtliche - Tätigkeit in einem verträglichen Maß bewegt.
Bei der Suche nach Gleichgesinnten kann unsere Kooperationspartner-Liste dienlich sein: Ursprünglich zur Weitergabe an die Oberschulämter und die Schulen aufgebaut, gibt sie natürlich auch Aufschluss darüber, welcher Kollege in der Nähe sich ebenfalls in dem Bereich engagiert.
Oktober 2008
Claudia Knodel