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Im Stadtgarten Schwäbisch Gmünd, der selbsternannten Stadt der Gestaltung, versuchten die 108 Delegierten des Parlaments der Architektenkammer Baden-Württemberg (AKBW) einer zeitgemäßen Selbstdefinition näherzukommen. Im Kammerwahljahr 2022, in dem Hunderte Ehrenämter vom Kammergruppenvorsitz bis zum Präsidenten gewählt werden, stellte sich die Frage besonders, frei nach dem Philosophen Precht: Wer sind wir – und wenn ja, wie viele?
Für Suse Kletzin, die scheidende Vorsitzende des gastgebenden Kammerbezirks Stuttgart, war wesentlich, dass sich die AKBW einen Gleichstellungsplan gab und Architektinnen durch verschiedene Maßnahmen sichtbarer macht. Bei mehr als 50 Prozent Mitgliedern im Angestelltenverhältnis stellt sich zudem die Frage: Sind wir Arbeitnehmerkammer? Und schließlich: Welche Erwartungshaltung hat die nachrückende Generation? Hat sie überhaupt die Kammer auf dem Schirm? Die Änderung des Architektengesetztes, die die Bezeichnung „Juniorarchitektin/Juniorarchitekt“ einführen sowie die Fachrichtungsunterscheidungen aufheben soll und in der parlamentarischen Abstimmungsschleife hängt, würde manche Schwierigkeit bei der Berufsausübung beseitigen, so Präsident Markus Müller in seinem Appell an die Landesregierung: „Es ist dringlich, das jetzt hinzubekommen.“
Dringlich erschien auch das Bedürfnis der Landesvertreterinnen und -vertreter, sich nach zwei Jahren wieder analog auszutauschen. Der freie Wettbewerb, der Freie Architekt, das Bekenntnis zum Generalistentum, zur HOAI – die Glaubenssätze des Berufsstandes seien zahlreich, doch handle es sich gleichzeitig um Worthülsen, die die Realität kaum abbildeten. Mit dieser These stieg Vizepräsident Stephan Weber in die Podiumsrunde ein unter der Überschrift „Berufsstand quo vadis?“ – Wohin geht es? Markus Ernst, Freier Architekt Stuttgart, nannte den Generalisten einen Traum. „Früher hieß es Baumeister, aber es gibt nur sehr wenige, die das auch ausfüllen.“ Er registriere eine starke Zunahme an „Baubegleitern“, die jedoch keine Verantwortung übernähmen. Die Industrie erwarte Leistung aus einem Guss. Der Berufsstand müsse versuchen, verlorenes Terrain zurückzugewinnen.
Frieder Wurm, Freier Architekt aus Ravensburg und Vorsitzender der Strategiegruppe „Zukunft Berufsstand“ stimmte zu: „Der Architekt ist der, der den Überblick hat. Das dürfen wir nicht aufgeben. Der Lotse muss nicht alles können. Spezialisierung tritt schon in der Grundlagenermittlung auf. Wir müssen alles anbieten, damit wir die fachfremden Berater nicht brauchen.“
Jens Rannow, baugewerblicher Architekt, Mitglied Landesvorstand Ulm, plädierte dafür, die Wertschöpfungskette Bau – vom Grundstücksbesitzer bis Abbruchunternehmen – insgesamt im Blick zu behalten. „Dieser Spannungsbogen des Generalisten ist für uns relevant.“
Für Mirjam Schnapper, Vorsitz AiP/SiP, stellte das Büro den Generalisten dar, in dem es viele Spezialisten gebe – Wettbewerb, Entwurf, Bauleitung. „Wieso sollten wir nicht diverse Arbeitsfelder anbieten?“ Für kleinere Büros sei Kooperation ein großes Thema: „Bis Leistungsphase 5, dann abgeben.“ Rannow brachte eine neue Kultur, Spin-Offs zu gründen, also Ausgliederungen in eine neue Firma, ins Spiel. Markus Ernst sieht große Büros massiv bevorzugt allein durch die Parameter der Bewertung, die in VgV-Verfahren häufig („Was für ein Unfug“) aus lauter Compliance-Angst aufgerufen würden. Ernst sah es auch als Aufgabe der Kammer, die Mitglieder mehr auszubilden in Bezug auf ihr Büroprofil: Wo sind unsere Schwerpunkte? Denkbar sei, die Spezialisierung in eine Kammerliste einzutragen.
Die Trennung von Planen und Bauen sei auch eine „heilige Kuh“, so Stephan Weber. Das Podium war sich einig, dass der Berufsstand eine neue Haltung zum freien Beruf finden müsse. Der Umgang mit Daten zeige dies beispielhaft. „Wir messen mit dem Dreikant aus und unsere Kunden schicken die Daten ans andere Ende Europas, um Kotflügel auszudrucken!“ Die Kammer müsse sich dringend der Thematik widmen: Wem gehören die Daten? Mirjam Schnapper bestätigte: „Die Big Player machen Druck: Ihr braucht dieses oder jenes Programm.“
„Generalplanung ist das Thema“, so Stephan Weber. Die Honorarordnung HOAI komme an Grenzen. Markus Ernst: „Wir mussten schon immer anders kalkulieren.“ Sein Büro habe gute Erfahrung damit gemacht, die Aufwandskalkulation offenzulegen („Mann-Monatssatz“). Frieder Wurm hielt die Tabelle für zu starr, der Abgleich mit der Realität funktioniere nicht. Die HOAI sei lediglich Basistabelle und Diskussionsgrundlage. Aufgabe der Kammer sei auch, gegen Dumping-Verfahren einzustehen und mit der eigenen Leistung selbstbewusster aufzutreten. Dafür gab es den Applaus der Versammlung. Ebenso für den Appell von Frieder Wurm: „Wir müssen bei den Leistungsphasen Pflöcke einschlagen, sonst fällt es uns auf die Füße!“ Es könne schlicht nicht sein, dass 40 Jahre die Systematik unverändert bleibe bei massiver Veränderung der Arbeitsweise.
zur Diskussion um die Zukunft des Berufsstands