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Zum nunmehr dritten Male wurde am 18.07.2012 zu den „Heidelberger Schlossgesprächen – reden über Architektur“ eingeladen und wieder war der Königsaal mit 600 interessierten Besuchern gefüllt. Zwischenzeitlich hat sich das herausragende Niveau dieser Vortragsreihe herumgesprochen, bei der die Crème de la Crème der internationalen Architektenszene ihre Werke vorstellt und anschließend in illustrem Kreis diskutiert. Wie der Baubürgermeister der Stadt Heidelberg Bernd Stadel in seiner Begrüßung feststellte: Das Format ist auf dem Weg sich zu etablieren und bietet mit dem Blick über die Stadtgrenzen hinaus Anregungen für die Diskussion über das Bauen im historischen Kontext.
Nicht allzu oft hat man in Heidelberg einen Pritzker Preisträger zu Gast (sozusagen der „Nobelpreis“ für Architektur, der seit 1979 jährlich vergeben wird). Und dann auch noch den bis heute einzigen Deutschen Preisträger, den Kölner Gottfried Böhm, der zusammen mit seinem Sohn und Nachfolger Peter Böhm den Vortragsteil bestritt.
Und ein Architekt wie der 92-jährige Gottfried Böhm kann sich dann auch die Freiheit leisten, das Thema „Bauen im Bestand“ weiträumig zu umschiffen und architektonische Visionen zum Wohnen in der (weiten) Zukunft zu präsentieren. Bauten in freier Ideallandschaft wobei eine ganze Stadt in einer einzigen architektonischen Großform untergebracht wird. Erinnerungen an die Utopien der 60´er Jahre wurden wach und der kritische Einwurf von Prof. Wolfgang Pehnt, er wolle aber nicht in diesen „architektonischen Monstrositäten wohnen“ wurde von Böhm geschickt gekontert, indem er daran erinnerte, dass sich wohl auch der Neandertaler kaum habe vorstellen können in der heutigen Stadt zu leben.
So blieb es dann dem Vortrag seines Sohnes Peter überlassen, Projekte und Haltungen zum Thema „Bauen im Bestand“ vorzustellen. Dabei zeigte er drei Projekte aus dem Büro Böhm, die jeweils unterschiedliche Ansätze zum Umgang mit der Historie verdeutlichen sollten.
Da ist zunächst der Neubau der Hochschule für Fernsehen und Film in der Münchener Maxvorstadt, in direkter Nachbarschaft zum Museum Brandhorst, zur Pinakothek der Moderne und direkt gegenüber der Alten Pinakothek von Leo von Klenze. Böhm schuf einen von der ursprünglichen Baulinie zurückgeschobenen einfach geradlinigen Baukörper, der Länge, Höhe und Aufteilung – wie Böhm es nannte, das „Gehabe“ des historischen Gegenübers aufnimmt und in die heutige Zeit übersetzt. Den „Geist Klenzes“ in die Neuzeit zu übertragen war die erklärte Absicht; Qualitäten und Empfindungen für Architektur sind laut Böhm das Wesentliche eines Bauwerks - unabhängig von Zeiten und Stilen.
Im gleichen Objekt befindet sich das Museum für ägyptische Kunst und hier stand ein anderer Umgang mit Geschichte im Vordergrund, nämlich die Frage, welche Umgebung die antiken Ausstellungsstücke brauchen, um ein neues Zuhause zu finden. Hier ist es die oftmals überraschende Abfolge von Räumen und Platzfolgen in antiken Tempeln, die Böhm in seinem Grundriss zitiert und atmosphärisch in die zeitgenössische Architektursprache übertragen hat; sozusagen die Transformation der Welt der Ausstellungsstücke in die Moderne.
Das letzte vorgestellte Projekt war ein neues Wohnquartier in Hennef, in dem die Qualitäten von Altstädten in die heutige Zeit übertragen werden sollten. Ein Gleichgewicht von „Gemeinsamkeit und Individualismus“ war das erklärte Ziel Böhms, ein Höchstmass von Aufenthaltsqualität auf den neu geschaffenen Quartiersplätzen, die sich in Form und Habitus historischen Vorbildern angleichen.
Reinhard Hübsch, SWR Kulturredakteur und Moderator der Schlossgespräche fasste vor der anschließenden Diskussion nochmals die verschiedenen Positionen der bisherigen Gastredner zusammen. Franco Stella, Architekt des neuen Berliner Schlosses hat sich die historische Rekonstruktion auf die Fahnen geschrieben, Max Dudler als Architekt des neuen Besucherzentrums am Heidelberger Schloss steht für die Transformation des historisch Vorgefundenen und Gottfried Böhm ist für Hübsch der Architekt der Abstraktion oder Reduktion.
Zu ihrer eigenen Haltung zu diesen verschiedenen Ansätzen befragt, waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion weitgehend einig: Prof. Wolfgang Pehnt, FAZ Architekturkritiker und Verfasser einer Böhm Monographie bezeichnete sich klar als Gegner der historischen Rekonstruktion. Das Besondere von Böhms Architekturverständnis ist sein Versuch ein „selbstverständlich Gemeinsames“ zwischen Bestand und Neubau zu schaffen – im Gegensatz zum kürzlich verstorbenen Karljosef Schattner, der in seiner Architektur zwar auch Proportion und Maß aufnahm, Historisches und Neues jedoch deutlich und durchaus „analytisch“ durch Fugen trennte.
Die Architektin der Dresdener Synagoge und des jüdischen Gemeindezentrums in München, Prof. Andrea Wandel, sprach sich ebenfalls für klare architektonische Statements und eine selbstverständliche Einfügung im historischen Kontext aus – ohne jedoch den vorgefundenen Fundus zu vernachlässigen. Dabei ist für sie weder eine zu ästhetisierende Gestaltung noch eine zu belanglose Zurückhaltung der richtige Ansatz für das Bauen im Bestand.
Christian Marquart schließlich, Publizist und Biograph Hans Pölzigs plädierte dafür, den größeren Rahmen in den Blick zu nehmen, die Grammatik der jeweiligen Stadt zu studieren.
Dieses Thema der „städtischen Grammatik“ wurde in der Diskussion weiter vertieft, für Peter Böhm ist die Suche nach der richtigen architektonischen Geste nicht eine Frage des Stiles, sondern des Geistes, den es am jeweiligen Ort zu finden und wieder aufzugreifen gilt. Pehnt stellte die Frage, wie sich der Architekt zwischen Regel und Ausnahme bewegen kann, glaubt, dass es auch in der historischen Stadt ein Maß an Provokation geben muss, um nicht der Gefahr der allzu schnellen Angleichung ausgesetzt zu sein. Genau wie er sieht Andrea Wandel den Architekten in der Pflicht, im historischen Kontext eine kraftvolle eigene Sprache zu entwickeln und sprach sich gegen eine integrierende anpassende Haltung aus. Christian Marquart zitierte zwei Extrempositionen: Rem Koolhaas, der mit den Worten „fuck the context“ zitiert wird und den Kabarettisten Hans Dieter Hüsch, der meinte „In jedem Hochhaus gibt´s ne kleine Altstadt“.
Trotz verschiedener Versuche des Moderators, die Teilnehmer des Podiums zu der einen oder anderen kontroversen Position zu bewegen, waren sich doch letztlich alle einig, dass der Architekt sich im historischen Kontext überaus sensibel zu bewegen hat. Maßstäblichkeit und „Grammatik“ des Ortes müssen auf jeden Fall respektiert werden. Vielleicht wäre die Diskussion lebhafter gewesen, wenn tatsächlich ein Rem Koolhaas (oder zumindest ein Befürworter eines radikaleren Umgangs mit dem Bestand) in der Diskussionsrunde vertreten gewesen wäre. Gingen doch unsere Vorfahren teilweise wesentlich weniger zimperlich mit dem Bestand um, erinnert sei an einen Baron Haussmann, der in Paris quasi im Alleingang eine ganze Stadt neu erfand. Vielleicht sind in der Vergangenheit zu viele Fehler gemacht worden, um eine solch radikale Haltung heute noch selbstbewusst vertreten zu können – der Diskussion hätte dies sicherlich gut getan.
Für die Besucher war der Abend dennoch ein gelungener und sicherlich auch kurzweiliger, dafür stand vor allem die verbale und inhaltliche Qualität der anwesenden Personen – alles gekrönt von der Möglichkeit den großen alten Mann der Deutschen Architektur persönlich zu sehen und zu hören. Gespannt darf man auf die nächsten Schlossgespräche a, 18.10. sein, für die mit Volker Staab einer der renommiertesten Deutschen Wettbewerbs- und Museumsarchitekten zu Gast sein wird.
Text von: Stephan Weber