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„Fehlen uns Instrumente für eine Kultur des Umbaus?" stieg Moderator Christian Holl in die 41. Architekturgespräche der Kammer ein. "Die Architektur sieht ein Gebäude mit der Fertigstellung als vollendet an. Aber die Anforderungen ändern sich, vielleicht muss sich auch die Architektur ändern.“ Mit Ton Matton, matton office, und Prof. Friederike Kluge, alma maki, hatte Holl zwei Gäste auf der Bühne, die das Thema „Entdeckungen im Bestand“ in Theorie und Praxis bearbeiten.
In seiner Jugend habe er Häuser besetzt, vielleicht komme daher seine Liebe zum Bestand, ulkte der aus Rotterdam stammende Stadtplaner, Dozent und Künstler Ton Matton. Sich ehrlich machen, das ist ihm wichtig. „Wir leben auf zu großem Fuß. Ein zweites Baden-Württemberg können wir uns nicht leisten.“ Es sei gerade hip, „nachhaltig“ zu bauen, aber eigentlich dürfte gar nichts mehr neu gebaut werden. In Tribsees, Wittenburg und Gottsbüren, ländlichen Kleinstädten, die mit „klassischen“ Problemen wie Wegzug und Leerstand zu kämpfen haben, hat er gemeinsam mit Studierenden potemkinsche Dörfer errichtet: „Man kann nicht alles umbauen, aber man kann das Denken ändern, wie man den Bestand wahrnimmt.“ Fassaden wurden neu gestrichen, Lehrstände bespielt, kulturelle Aktionen schlossen sich an. „Ein Großstand des Bestands sind die Menschen die da wohnen. Man muss die Bürger mit ins Boot holen, sie überzeugen selbst Hand anzulegen, und sie aus der Opferhaltung rausholen.“
Auch Prof. Friederike Kluge ist auf vielen Feldern aktiv: An der Fachhochschule Nordwestschweiz unterrichtet sie künftige Architektinnen und Architekten. Mit dem Verein „Countdown 2030“ versucht sie, im Berufsstand das Bewusstsein für eine klima- und biodiversitätsfreundliche Baukultur zu stärken und mit ihrem Büro alma maki setzt sie Umbauten im Bestand um. „Wir mussten bisher noch nie ein Haus abreißen. Wir arbeiten im Kollektiv, denn Architektur entsteht in der Gemeinschaft, und wir arbeiten auch oft selbst auf unseren Baustellen mit“, umschreibt sie den Charakter ihrer Arbeit. Bei der Entwicklung von Projekten versucht Prof. Kluge verschiedene mögliche Nutzungen mitzudenken: In Basel wurde ein Bürogebäude umgebaut, welches ohne größeren Aufwand in ein Wohnhaus umgewandelt werden kann, da Wandanschlüsse und Installationen bereits mitgedacht wurden. "Gebäude zum reinwachsen" will sie gestalten und Lust machen auf das Arbeiten mit der "Inspirationsquelle Bestand“. In der Schlussdebatte ging es dann nochmal um das große Ganze: Die kommende Klimakatastrophe, zu dem das Bauen einen erheblichen Teil beiträgt. „Wir schaffen die Kehrtwende nicht, das ist alles zu wenig“ bilanzierte Ton Matton. Ihm widerstrebt der Gestus der Architektenschaft, zu wissen, was die Lösung sei. „Privat wusste ich, wie man einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leistet, beruflich jedoch viel zu wenig. Die Gründung des Vereins 'Countdown 2030‘ war der Wunsch, sich das Wissen anzueigenen, es mit Baukultur zu verbinden und ins Handeln zu kommen. Das bedeutete auch, sich vermehrt politisch zu engagieren“, sagt Friederike Kluge.
Am Ende eines Abends mit 70 Zuschauern vor Ort und über 300 im Livestream blieben viele Frage offen, aber das sei nicht das schlechteste, wie Christian Holl befand. Die nächsten Architekturgespräche finden 27. Juni 2024 statt, dann mit Nani Grau von Hütten und Paläste und Andreas Knapp, den Geschäftsführer des Büros KüssdenFrosch.