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In diesem Wahlkampf ein eher seltenes Ereignis: alle fünf Spitzenkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien hatten sich "leibhaftig" versammelt, um das ARCHIKON-Motto: Unser Land neu denken! zu diskutieren.
Welche Idee er von Baden-Württemberg habe? Welches Bild der Zukunft? Ministerpräsident Winfried Kretschmann formulierte für die Grünen, genügend und bezahlbarer Wohnraum sei die Voraussetzung. Dann jedoch müsse definiert werden, was ein "gutes Leben" in den Städten unter den Bedingungen des Klimawandels ausmache. Kretschmann führte Aspekte wie Graue Energie und die CO2-Emissionen durch die Bauwirtschaft an: "Wir müssen Leben, Wohnen, Ruhe in den Städten zusammenbringen und Raum zurückgewinnen für die Menschen, die dort leben." Deshalb seien in seiner Vision die Städte frei von Emissionen produzierendem Verkehr. In Baden-Württemberg habe man beste Voraussetzungen, das Gestalt annehmen zu lassen - denn nirgends sonst gebe es ein so gutes Handwerk, eine so gute Architektenkultur, eine so gute universitäre Ausbildung.
Dr. Susanne Eisenmann plädierte für ganzheitliches Denken in Lebenszyklen und Quartieren. Kleinteilige ökologische Bewertungen brächten nichts, ist sich die CDU-Spitzenkandidatin sicher. Produktion, Wohnen, Arbeiten, Lernen und Leben rückten zusammen, auch gestalterische Aspekte seien dabei wichtig. Sie sprach sich für eine vernetzte Mobilität aus und auch für eine Absenkung der Grunderwerbsteuer von 5 auf 3,5 Prozent.
Andreas Stoch forderte eine größere Kraftanstrengung bei der Schaffung neuen Wohnraums. Dies sei keineswegs "die soziale Frage der Zukunft", wie Eisenmann einführte, denn sie stelle sich bereits ganz vehement in der Gegenwart. "Die Frage der Wohnkosten ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen", erklärte der SPD-Spitzenkandidat. Es könne nicht sein, dass Menschen mit normalem Einkommen nicht mehr die Möglichkeit hätten, an dem Ort zu leben, wo sie möchten.
Gegen Verbote jeglicher Art sprach sich FDP-Spitzenkandidat Dr. Ulrich Rülke aus. Seine Partei wolle "niemandem vorschreiben, wie er oder sie zu wohnen hat." Um den dringend benötigten zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, gelte es privates Kapital fruchtbar zu machen und solche Investitionen willkommen zu heißen. Erhöhte Grunderwerbsteuern oder Mietpreisbremsen hält er für den falschen Weg. Auch er plädierte für Absenkung.
Um die Unterschiede zwischen Stadt und Land auszugleichen und beides gleichermaßen lebenswert zu gestalten, gehöre es zu den Grundvoraussetzungen, den Breitbandausbau "bis zur letzten Milchkanne" voranzutreiben, sagte Bernd Gögel von der AfD. Auch seine Partei wolle keinen Flächenfraß und plädiere stattdessen für genossenschaftliches, mehrgeschossiges Bauen.
Einigkeit herrschte in der Frage, dem Flächenfraß Einhalt zu gebieten. Ob sich Kommunen letztlich aber dafür entscheiden, Bauland für Ein- oder nur für Mehrfamilienhäuser zur Verfügung zu stellen, läge in der Entscheidungshoheit der Gemeinderäte, insistierte Kretschmann. Das Land schreibe lediglich den Rahmen vor, mische sich aber nicht in kommunale Angelegenheiten.
Eine klare Ansage gab es von Kretschmann jedoch in Sachen Klimaschutz: "Auf allen Dächern Photovoltaik!" lautet seine Bedingung für einen etwaigen neuen Koalitionsvertrag. Um dem Energiehunger zu begegnen, gelte es, die vorhandene Infrastruktur der Dächer zu nutzen. Auch Stoch bedauerte, dass bislang die Pflicht zur Photovoltaik nur für Gewerbe-Neubauten gilt. Darüber hinaus plädierte er dafür, auf die Gesamtenergiebilanz zu schauen: "Wir müssen verschiedene Bausteine sehen, mit denen wir zu einer wirksamen Energieeffizienz kommen." So sei etwa eine intelligente Stadtplanung, bei der sich Arbeiten und Wohnen besser verbinde, in der Lage, Verkehrsströme zu verändern. Außerdem will er den Umgang mit Bestandsbauten und Recyclingwirtschaft verstärken.
Eisenmann ist ebenfalls der Meinung, dass eine bessere Vernetzung verschiedener Nutzungsfunktionen sich positiv auf den Klimaschutz auswirke. Sie mahnte allerdings, bei allen ökologisch motivierten Bestrebungen auch immer die Lebensrealität im Blick zu behalten: "Das ist nun mal der Mensch." Rülke wiederum betonte, dass Klimaschutz für ihn nur in Verbindung mit wirtschaftlicher Prosperität funktioniere. Statt den Bürgern PV auf den eigenen Dächern vorzuschreiben, brachte er Wasserkraft aus Skandinavien und Offshore-Windkraft ins Spiel.
AKBW-Pressesprecherin Gabriele Renz fragte die fünf Podiumsgäste, ob sie dazu bereit seien, im Sinne der Klimaschutzziele die Nachhaltigkeit beim Bauen verpflichtend zu fordern. "Absolut!" bzw. "Ja!" lauteten die klaren Bekenntnisse von Kretschmann und Stoch. Eisenmann konditionierte ihr Ja mit einem "solange es bezahlbar bleibt", Rülke mit einem "aber nur, wenn die Nachhaltigkeit auch nachgewiesen ist". Gögel meinte, dass jedem selbst die Entscheidung überlassen werden solle, wofür er sein Steuergeld anlege.
Welcher Instrumente es bedürfe, um gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land herzustellen? Im ländlichen Bereich gelte es den Versorgungsproblemen entgegen zu wirken, sagte Stoch und hielt fest: "Baden-Württemberg hat seine Stärke in der Fläche." Allerdings werde es Änderungen geben, insbesondere angesichts des limitierenden Faktors Boden. Ganzheitlich müsse das Thema angegangen werden, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende und forderte statt Verbote Anreize, "damit was gemeinwohlorientiert sinnvoll ist, auch aus Sicht des Menschen wünschenswert ist." Moderatorin Renz erinnerte bei dieser Gelegenheit an das Ziel der Architektenkammer, verstärkt "motivierende Planungsinstrumente" einzusetzen.
Eisenmann sprach sich dafür aus, Innenentwicklung den Vorzug vor Außenentwicklung zu geben. Sie monierte, dass sich die Bauvorschriften in den letzten dreißig Jahren verzwanzigtausendfacht hätten und dringend reduziert gehörten. Damit sprach sie auch ein wichtiges Anliegen von Winfried Kretschmann an: Schon beim Sommerlichen Empfang im Juli 2020 hatte er die Architektenschaft aufgefordert, Vorschriften zu benennen, die sich aus ihrer Sicht entschlacken lassen. Um hierzu und zum ganzen Baubereich in einen intensiveren Austausch mit den Expertinnen und Experten zu kommen, hatte er bereits bei einem Gespräch mit Kammerpräsident Markus Müller im vergangenen September seine Absicht erklärt, einen Strategiedialog zum Wohnen und Bauen zu initiieren. Bei ARCHIKON verkündete er dieses Format nun offiziell.
Bisher gebe es Strategiedialoge für die Automobilindustrie und die Gesundheitswirtschaft, erklärte der Ministerpräsident. Nun möchte er also künftig auch für den großen Sektor Bauen und Infrastruktur alle wichtigen Akteure an einen Tisch bringen, um Rahmenbedingungen zu besprechen, sinnvolle Fördermaßnahmen zu erarbeiten und Überflüssiges oder Widersinniges zu identifizieren. "Wir brauchen ein Format, wo wir nicht immer den Problemen hinterherrennen", umschrieb Kretschmann das Projekt. Der Unterstützung der Architektenkammer kann er gewiss sein.
Fotos: Felix Kästle