Veranstaltungsort für Tagungen, Seminare, Produktpräsentationen oder Pressekonferenzen.
Informationen für private und gewerbliche Bauherrinnen und Bauherren, Städte und Kommunen.
Der dritte Landekongress für Architektur und Stadtentwicklung ARCHIKON steht vor der Tür. 2016 lag der thematische Schwerpunkt auf Wohnen, 2018 drehte sich alles um die Nachhaltigkeit, 2021 nimmt ARCHIKON den Lebensraum Baden-Württemberg in den Fokus. Denn vor dem Hintergrund global sich wandelnder Lebens- und Arbeitswelten muss sich auch unser Land einmal mehr verändern.
Mit welchen planungsrelevanten Entwicklungen möchten Sie sich im Rahmen des Kongresses auseinandersetzen?Zum einen werden wir die Veränderungen in der Anziehungskraft zwischen peripheren Regionen und dem Zentrum des Landes beleuchten. Dabei nehmen wir insbesondere den Verkehr, die neuen Wachstums-Cluster und die Möglichkeiten der digitalen Informationsgesellschaft in den Blick. Zum anderen werden wir uns mit den gesellschaftlichen Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Orte des Lebens und des Zusammenlebens beschäftigen. Hier spielen die Alterung der Gesellschaft, enorme Individualisierungsprozesse und damit die Verschiebung von Wohlstand eine Rolle. Und nicht zuletzt wird es auch um die Veränderungen der Landschaftsbilder und um unser Verständnis von Kulturlandschaften gehen: Durch den Klimawandel ändern sich Flora und Fauna, die Landwirtschaft und deren Einfluss auf die Landschaft unterliegt dem Wandel, Böden und Gewässer ebenso. Insgesamt geht es hier um Fragen von Flächenverbrauch und -verfügbarkeit.
Aktuelle Studien zeigen: Baden-Württemberg wird auch in Zukunft eine Wachstumsregion bleiben. Kommunen, die gute Arbeitsplätze und Infrastruktur bieten, verzeichnen unabhängig von ihrer Größe einen steten Zuwachs. Auch die eher landschaftlich geprägten Regionen unseres Landes werden für viele Menschen attraktiv bleiben – unter fundamental veränderten Rahmenbedingungen.
Mit welchen Ideen setzen wir die Erfolgsgeschichte unseres Landes fort? Wo sehen Sie unseren Berufsstand in der Verantwortung?Zunächst müssen wir uns überlegen, wie sich die Veränderungen auf den verschiedenen Planungsebenen verarbeiten lassen: Mit welchen neuen – regional-, stadtplanerischen und architektonischen – Leitbildern finden wir Antworten auf die Herausforderungen? Wie erfolgt der Austausch über Phänomene und Ziele des Wandels? Es gilt die richtigen Instrumente für Planung und Konsensbildung zu finden.
Sie sagen, einer der Schwerpunkte von ARCHIKON soll auf der gewandelten Anziehungskraft zwischen Peripherie und Zentrum liegen. Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Ein Beispiel ist für mich die Fertigstellung von Stuttgart 21. Hier gilt es frühzeitig zu bedenken, welche Konsequenzen daraus für die Verkehrsbeziehungen zwischen peripheren Regionen des Landes und seinem Zentrum erwachsen. Außerdem muss es darum gehen, wichtige Infrastrukturen dauerhaft zu stabilisieren. Ziel ist eine gleichwertige Attraktivität von Regionen, Städten und Gemeinden beim Einzelhandel und in der Daseinsvorsorge. Die Landesverfassung spricht von "gleichwertigen Lebensbedingungen". Doch liegt eine enorme Herausforderung darin, wirtschaftliche Prosperität tatsächlich gleichermaßen in der Peripherie wie im Zentrum herzustellen, schaut man sich die rasanten Veränderungen der Wirtschaftsstruktur und der technologischen Entwicklungen in Baden-Württemberg an. Hier können die Antworten nicht allein von Architekten und Stadtplanern kommen.
Worin sehen Sie die entscheidenden gesellschaftlichen Veränderungen, mit denen sich unser Berufsstand auseinandersetzen muss?Wesentliche Entwicklungsfaktoren sind neue Wohnmodelle, die langfristig Wohnraum für eine alternde, individualisierte Gesellschaft sichern. Dabei geht es um mehr als die "Ration Wohnung". Wir müssen lernen, Wohnen als soziales Phänomen zu begreifen und eine neue Form von Nachbarschaftlichkeit zu organisieren.
Darüber hinaus gilt es Lösungen für die multiplen Flächenkonkurrenzen zu erarbeiten. Landläufig wird die mangelnde Verfügbarkeit von Bauland als wesentliches Hindernis zur Linderung der Wohnungsnot beklagt – als ob an anderer Stelle genügend Flächen für Gewerbe, Verkehr, Landwirtschaft und Naturschutz vorhanden wären. Das ist aber nicht der Fall. Und dann muss natürlich auch die Bezahlbarkeit des Ganzen gesichert sein.
Kommen wir auf die eingangs genannten Veränderungen der Landschaftsbilder und unser Verständnis von Kulturlandschaften zurück. Worauf müssen wir uns einstellen?Auf heiße Sommer, heftige Starkregenereignisse, wenig Schnee im Winter. Das bedeutet nicht nur für den Tourismus eine große Herausforderung. Wir müssen schauen, ob wir die notwendige Regenwasserbewirtschaftung positiv dafür einsetzen können, historische Landschaftsbilder, Talauen und Biotope präziser herauszuarbeiten. Hochpolitisch ist inzwischen die landschaftsästhetische Bewertung der Windkraft. Diese Auseinandersetzung wird entscheidend für den Erfolg der Energiewende. Und dann haben wir uns mit den nahezu ausgeräumten Landschaften zu befassen: ohne Ackerränder, kaum Hecken und Blühstreifen, sodass Insekten keine Nahrungfinden – mit den bekannten Folgen für Flora und Fauna.
Was benötigen wir, um diese aktive und engagierte Auseinandersetzung mit den bestehenden Herausforderungen des ländlichen Raums zu meistern?Wir brauchen zunächst qualifizierte Kräfte in Stadtplanung, Architektur und Landschaftsarchitektur. Sowohl in den Reihen der kommunalen Verantwortlichen als auch unter den Planern. Denn eine zukunftsfähige Entwicklung der unterschiedlichen Regionen erfordert integrierte Planungsstrategien, die Wohnen, Wirtschaft, Freiraum, Mobilität und Infrastruktur sowie neue demokratische Prozesse und Anforderungen an Nachhaltigkeit gleichermaßen berücksichtigen.
Das heißt konkret für die Planungspraxis?Kommunen müssen künftig wieder Verantwortung übernehmen und eine aktive Bodenpolitik und Grundstücksentwicklung betreiben. Konzeptvergaben, Erbbaurecht, eigene Bestände sowie eine eigenverantwortliche Projektentwicklung durch qualifizierte Mitarbeiter verschaffen Kommunen wieder wichtigen Gestaltungseinfluss. Dies ist die Grundlage für eine gemeinwohlorientierte Weiterentwicklung unserer Städte.
Reichen die vorhandenen Planungsinstrumente dafür aus?Beispielhafte Projekte zeigen, dass mit den bestehenden Planungsinstrumenten eine zukunftsfähige Entwicklung in Kommunen und Gemeinden möglich ist. Sie reichen aber nicht aus, um neue Komplexitäten zu verarbeiten. Neue Planungs- und Steuerungsmodelle werden sie ergänzen oder gar an ihre Stelle treten müssen, die durch allgemein verständliche, tragfähige Leitbilder und Zielvorstellungen gekennzeichnet sind. Sowohl ein umfassendes Ausschöpfen der Planungswerkzeuge als auch die Umsetzung guter Konzepte scheitern jedoch zu oft noch am Denken in Stadtgrenzen. Erfolgreich erprobte Strategien überkommunaler Kooperationen im Bereich der Stadt- und Gemeindeentwicklung liegen vor und müssen weiter vertieft werden, um Entwicklungsplanung in zusammengehörenden Raumschaften besser zu koordinieren.
Aber wollen die Kommunen neue Leitbilder? Und wollen Gemeinderäte externen Rat? Ich habe derzeit eher den Eindruck, die ehrenamtlich tätigen Gemeinderäte sehen gar keinen Bedarf für Veränderungen dieser Art.Wenn Orientierung fehlt, wenn positive Zielvorstellungen für die Bewältigung von Herausforderungen und die Gestaltung der Zukunft fehlen, dann fällt es schwer, Akzeptanz für Planungsprozesse gleich welcher Art zu finden. Deshalb müssen wir den anstrengenden Weg beschreiten, neue Leitbilder zu erarbeiten, die von den Menschen verstanden und als Lösungsansätze akzeptiert werden. Wir brauchen eine neue – motivierende – Stadtplanung. Sie muss über Interessenausgleich hinaus deutlich machen können, welche konkreten Eigenschaften die Identität, Werthaltigkeit und Baukultur von Regionen, Städten, Gemeinden bis hin zu den Quartieren und Wohnumfeldern prägen sollen.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft?Baden-Württemberg steht vor einer großartigen Gestaltungsaufgabe für die Vertreterinnen und Vertreter von Stadtplanung, Architektur, Landschaftsarchitektur und Innenarchitektur. Deshalb sind wir als Kammer darüber hinaus gefordert, zugleich in die politischen Gremien hineinzuwirken. Denn der gebaute Lebensraum entscheidet über die Lebensqualität der Menschen im Südwesten – egal ob in den Wohnungen, bei der Arbeit oder im öffentlichen Raum.
Wir haben Referentinnen und Referenten bei ARCHIKON befragt zum Verhältnis von urbanen und ländlichen Räumen, zu deren Perspektiven, Stärken, Potenzialen und Handlungsspielräumen. Welche Rolle spielt die Landschaftsarchitektur?