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Im Fokus von ARCHIKON steht der Lebensraum Baden-Württemberg. Warum, findet Carmen Mundorff im Gespräch mit Matthias Schuster und Mario Flammann heraus, die mit der Strategiegruppe Stadt Land als Ideengeber Pate standen.
Matthias Schuster, im Bild links, ist Vertreter der Fachrichtung Stadtplanung im Landesvorstand. Mario Flammann hat den Vorsitz in der Strategiegruppe Stadt Land.
Eine Veranstaltungsreihe mit Konzeptionen für den ländlichen Raum in 2019, vor kurzem ein Symposium „Perspektive Land“ und nun demnächst der dritte ARCHIKON-Kongress mit dem Titel „UNSER LAND NEU DENKEN“. Was veranlasst die Architektenkammer dazu, unser Land neu denken zu wollen?Mario Flammann, Vorsitzender der Strategiegruppe Stadt Land: Aktuelle Studien zeigen, dass Baden-Württemberg auch in Zukunft eine Wachstumsregion bleiben wird. Kommunen, die gute Arbeitsplätze und Infrastruktur bieten, verzeichnen unabhängig von ihrer Größe einen steten Zuwachs. Das ist ein Aspekt. Ein anderer ist, dass 859 von unseren 1.101 Kommunen weniger als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner haben. Und oftmals sitzen Unternehmen von Weltrang in der Region oder mittelständische Unternehmen bieten gute Arbeitsplätze. Somit fehlt es auch dort häufig an geeignetem Wohnraum. Die Entwicklung der Städte und Gemeinden war dabei allzu häufig durch flächenintensive Wachstumsstrategien geprägt – diese stoßen nun an Grenzen. Deshalb wollen wir bei unserem dritten landesweiten Kongress für Architektur und Stadtentwicklung Denkanstöße geben und Bestehendes in Frage stellen.
Was zum Beispiel?Matthias Schuster, Vertreter der Fachrichtung Stadtplanung im Landesvorstand: Zu allererst sollten wir uns davon verabschieden, Stadt und Land, Großstadt und Kleinstadt als Gegenspieler zu betrachten oder gar zu glauben, auf dem Land ginge es hinterwäldlerisch zu und die Kleinstadt wäre die Langeweile pur. Digitalisierung und neue Medien haben uns alle verändert, egal wo wir leben. Natürlich bleiben große Unterschiede. Aber heute werden diese gerade von den jungen Menschen vielleicht eher als verschiedene Angebote von Lebensvorstellungen gesehen. Da liegt eine Chance. Wir müssen aber auch hinterfragen, ob unser schönes Bild der „Hidden Champions“ in den ländlichen Räumen zukunftsfähig bleiben kann. Diese und noch viel mehr kleine und mittelständische Unternehmen oder Familienbetriebe tun sich heute schwer mit Arbeitskräften und den Angeboten darum herum. Es mangelt an guten Leuten. Umso mehr sind Kommunen aufgefordert, sich der Gravitation der Ballungsräume mit innovativen Konzepten und Netzwerken entgegenzustellen.
Flammann Die Stärke Baden-Württembergs liegt in der vielschichtigen Struktur seiner Städte und Gemeinden begründet. Natürlich liegen in dieser administrativen Diversität auch besondere Herausforderungen. Wir werden zukünftig mehr denn je über neue regionale Kooperationen und Arbeitsteilungen sprechen müssen. Ideen für interkommunale Zusammenarbeit und Netzwerke sind essentieller Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung im Land. Leider fehlen uns dazu noch allzu häufig die passenden regionalen Strategien und Leitbilder. Unser Ziel ist, beim ARCHIKON dazu einige wichtige Impulse zusammenzutragen.
Welche Themen werden beim Kongress besprochen?Schuster Allem voran geht es um die Frage nach den gleichwertigen Lebensverhältnissen. Sie treibt unsere Gesellschaft spätestens nach der Lebensverhältnissen. Sie treibt unsere Gesellschaft spätestens nach der Wiedervereinigung vor nun dreißig Jahren um. Für Baden-Württemberg war sie lange nicht relevant, weil es uns allen bis heute wirtschaftlich gut geht. Baden-Württemberg dürfte bundesweit die ausgeglichenste Wirtschaftsleistung und Einkommensstruktur haben. Da fielen die Differenzen oder Defizite lange nicht auf. Es geht natürlich um das Wohnen. Welche Wohnformen sind in Baden- Württemberg zukunftsfähig? Wo sind wir in unseren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen zu verkrustet? Was und wie viel benötigen die jungen Erwachsenen? Welche Lebensformen suchen sie?Der Immobilienbereich hat eine enorme Trägheit und ein erstaunliches Beharrungsvermögen auf hergebrachten Modellen. Konsequenterweise muss es dann natürlich auch um die Bodenfrage gehen. Wie gehen wir damit um? Welche Möglichkeiten haben die Kommunen, Innenentwicklung zukunftsfähig zu gestalten. Und Innenentwicklung muss die Prämisse unserer Planungskultur bleiben: aus klimatologischen Gründen, mit Blick auf den wirtschaftlichen Erhalt der Infrastrukturen, auf die Herausforderungen der Mobilität und besonders hinsichtlich unserer demographischen Verschiebungen. Infrastrukturen, auf die Herausforderungen der Mobilität und besonders hinsichtlich unserer demographischen Verschiebungen.
Flammann Wenn wir von gleichwertigen Lebensverhältnissen sprechen, meint das natürlich nicht, dass überall die gleichen Lösungsansätze greifen können – gerade bei Fragen zukünftiger Mobilität oder Dichtestrategien wird das besonders deutlich. Viele unserer aus ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten beispielhaften urbanen Lösungsansätze gelten in weiten Teilen des Landes als inakzeptabel. Gleichwohl sind auch die Räume, die wir als „ländlichen Raum“ im engeren Sinne beschreiben, in vielen Bereichen von zum Teil ungesteuerten Urbanisierungstendenzen betroffen. Gerade jenseits der Ballungsräume müssen wir daher mit viel Augenmaß nach maßstabsgerechten und zugleich innovativen Lösungen suchen. Gelungene Beispiele der Baukultur im ländlichen Raum bieten für einen offenen und vorurteilsfreien Dialog mit Bürgerschaft und Politik eine wertvolle Ausgangsbasis.
Für eine nachhaltige und identitätsstiftende Entwicklung der Stadt setzt Freiburg i. B. auf ein neues Leitbild, den „Perspektivplan 2030“. Die räumliche Leitidee dient als Grundgerüst, das richtige Projekt am richtigen Ort in Freiburg umzusetzen. In den Entwicklungsbereichen wird großes Potenzial für neuen Wohnraum und bessere Freiraumnutzung gesehen.
Gibt es in Baden-Württemberg bereits Kommunen, die zukunftsgerichtet und innovativ ihre Stadt bzw. Gemeinde entwickeln?Schuster Interessanterweise haben in den letzten Jahrzehnten gerade eher mittlere Städte Innovationen angeschoben. So zum Beispiel Freiburg-Vauban mit seiner konsequenten Verkehrsreduzierung und energetischen Ausrichtung. Tübingen mit wirklicher Nutzungsmischung, urbaner Dichte und Einbeziehung der Bürgerschaft als Bauherr. Im kleineren Maßstab das Stadtregal in Ulm als beispielhafter Umgang mit dem Bestand. Und aktuell Heilbronn, das mit der BUGA in diesem Jahr und vor allem seiner integrierten Stadtausstellung mittlerweile internationale Reputation genießt.
Flammann Ergänzen würde ich in dieser Reihe auch Kommunen wie Biberach an der Riß, Schwäbisch Hall, Friedrichshafen oder Kirchheim unter Teck. Dort findet man sowohl eine besondere Innovationskraft als auch engagierte Modellprojekte. Gerade die Mittelstädte sind ja einerseits direkt von den Folgewirkungen überhitzter Metropolregionen betroffen, müssen aber aufgrund ihrer Prägungen mit deutlich geringerenVerdichtungseffekten ganz eigene Antworten finden. Schuster Das ist richtig. Und auf dem Land mögen die Innovationen noch nicht so augenscheinlich sein. Aber es gibt auch dort einige Projekte mit Einbeziehung der Bürgerschaft, engagierter Projektentwicklung im Zusammenspiel von Verwaltung und Privatleuten. Oder auch privates Engagement, das gerade die Ortskerne aufwertet. Die Akademie Ländlicher Raum Baden-Württemberg führte in den Jahren 2017 und 2019 gemeinsam mit der Architektenkammer Baden-Württemberg und weiteren Partnern zwei Veranstaltungsreihen durch, in denen gerade diese Beispiele vorgestellt wurden.
Welche Impulse wünschen Sie sich von ARCHIKON für den Berufsstand? Und welche sind für die Gesellschaft relevant?Schuster Unsere Kolleginnen und Kollegen stehen bei ihrer täglichen Arbeit in Kontakt mit den Entscheidungsträgern. Das sind Gemeinderäte, Amtsleiter, Bürgermeister, Politiker, Gewerbetreibende, Unternehmer und Investoren. Da gibt es viele Möglichkeiten, die Anregungen aus dem ARCHIKON weiter zu tragen und vielleicht sogar neue Partner für unsere Anliegen zu gewinnen. Unser Kongress ist weniger für die Gesellschaft relevant, als die Gesellschaft für ARCHIKON. Wir haben mit diesem Veranstaltungsformat die Möglichkeit, die Erwartungen der Gesellschaft an uns Planende zu reflektieren, zu diskutieren und vielleicht Wege oder zumindest Richtungen vorzuschlagen. Sicherlich werden wir aber am Schluss des Kongresses mehr Fragen haben als zuvor. Und das ist für unsere Arbeit ganz wichtig.
Wir haben Referentinnen und Referenten bei ARCHIKON befragt zum Verhältnis von urbanen und ländlichen Räumen, zu deren Perspektiven, Stärken, Potenzialen und Handlungsspielräumen. Welche Rolle spielt die Landschaftsarchitektur?