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Der Begriff Bürgerbeteiligung ist heute in aller Munde. Die Menschen möchten mitgestalten, mitentscheiden und informiert werden. Das nahm der Arbeitskreis Stadtplanung zum Anlass, beim vierten Stadtplanertag das Thema Kommunikation mit Professor Dr.-Ing. Klaus Selle, Professor Dr. Riklef Rambow, B.Sc.Arch. Jörn Gertenbach und Professorin Dr. Ursula Stein zu erörtern. Matthias Schuster begrüßte als Vertreter der Fachrichtung über 150 Stadtplanerinnen, Stadtplaner und Gäste aus Verwaltungen sowie Politik und verwies dabei auf die Wichtigkeit der dialogischen Prozesse für den Berufsstand.
Professor Klaus Selle, tätig beim Lehrstuhl Planungstheorie und Stadtentwicklung, RWTH Aachen, und Buchautor („Über Bürgerbeteiligung hinaus – Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe?“) plädierte in seinem Vortrag für einen Perspektivenwechsel. Es sollte nicht gefragt werden „Was ist die Stadt?“, sondern erst die Frage nach „Wer ist die Stadt?“ öffne den Blick nach den Aktivitäten und die Rollenvielfalt bzw. Rollenvierfalt der Bürgerinnen und Bürger. Denn in vier Bereichen, so Selle, prägen die Menschen die Entwicklung ihrer Städte: als Marktakteure, als Beteiligte, als Aktive und als politischer Souverän.
81 Prozent der Bürgerschaft wünschen sich mehr Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten und immer mehr Ältere setzen sich mit Interesse und Engagement ein. Dazu kommen neue Mobilisierungsmöglichkeiten über Facebook und Smartphones. Eine Reduktion der Bürgerinnen und Bürger auf die Rolle von „Beteiligten“ in (obrigkeitsstaatlichen) Prozessen würde den Wirklichkeiten nicht gerecht. Sie führe, meinte Selle, zu Missverständnissen und sei Ursache für das Scheitern vieler Kommunikationsbemühungen. Die Stadtgesellschaft sollte als Adressat und Partner gesehen werden und zu einem frühen Zeitpunkt in die Kommunikation eingeschlossen werden. Denn zu jedem Raum, egal ob idyllisches Ufergrundstück oder beliebtes Viertel einer Stadt, gäbe es unterschiedliche Wahrnehmungen und andersartige, teils gegensätzliche Interessen.
Diese Standpunkte müssten frühzeitig erläutert werden, und nicht erst »Wenn alles entschieden ist, dürfen alle mitreden«. Aber es gäbe auch professionellen Widerstand: Fachkompetente möchten sich nicht von jedermann in die Planung reinreden lassen. Damit eine gute Stadt entsteht, seien viele Kompetenzen und Experten, auch die Bürger als Alltagsexperten, gefragt. Die Kunst bestehe darin, diese Kompetenzen zusammenzuführen.
Die Bürger beizeiten mit einbeziehen, lautete ebenso die Botschaft von Professor Riklef Rambow vom Fachgebiet Architekturkommunikation, Karlsruher Institut für Technologie. Zudem stehe auch die Forderung nach völliger Transparenz bei vielen Projekten im Raum. Deshalb sei eine gute Kommunikation äußerst wichtig. Diese kann aufwändig und sehr anspruchsvoll sein, um zwischen Planern und Bürgern gut zu funktionieren. Beim Transparenzgedanken sei es wichtig die Karten frühzeitig offenzulegen. Jedoch sei der Bevölkerung nicht gedient alle Details haarklein darzustellen, sondern wichtige Kriterien müssten nachvollziehbar und sinnvoll aufbereitet werden.
Für die transparente Prozesskommunikation sind verständliche Erläuterungen und Sachverhalte notwendig. Dabei handele es sich um eine anspruchsvolle Übersetzungsaufgabe, denn um eine adressatengerechte Kommunikation zu gewährleisten, ist sicherzustellen, dass zuvor Verständnisschwierigkeiten aufgedeckt werden. Auch die laiengerechte Aufbereitung von Planungsunterlagen, sei aufwändig und in der Regel von den Planerinnen und Planern allein nicht zu leisten. Ein eigenes Budget dafür müsse eingeplant werden.
Rambow sprach zudem Zielgruppenproblematiken an: Wie erreicht man Personengruppen, die sich von sich aus nicht beteiligen? Hierfür kann eine „aufsuchende“ Kommunikation sinnvoll und erforderlich sein. Um Beteiligungshemmnisse abzubauen, kann es vorteilhaft sein, spezielle Zielgruppen zunächst in separaten Veranstaltungen zu beteiligen, z.B. Kinder und Jugendliche oder Migranten. Rambows Fazit lautete: Es sei wichtig, sich der grundsätzlichen Schwierigkeiten bewusst zu werden, daraus realistische Ziele für die Kommunikation abzuleiten und diese konsequent und möglichst langfristig zu verfolgen.
Wie man auf internationaler Ebene junge Meinungen, Forderungen und Visionen für die Stadt von Morgen sammeln kann, zeigte Jörn Gertenbach vom Büro urban catalystStudio aus Berlin. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Young Energies“ lobte das Bundesministerium 2012 einen Wettbewerb aus. Gesucht wurden Kurzfilmbeiträge von Jugendlichen, die einen Einblick in die Themen und Orte geben, die junge Akteure in der Stadt interessieren. In einem nächsten Schritt wurden die Autoren der interessantesten Videobeiträge aus ganz Europa und sogar Haiti nach Berlin eingeladen, um die Jugendstadt Pontonia auf einem 200 Quadratmeter großen Floß zu errichten. Der Bau bot 30 Jugendlichen ein Experimentierfeld und die Möglichkeit, sich selbst und ihre Ansichten darzustellen und zu entfalten.
Von lebendigen Freihandzeichnungen visuell unterstützt beschrieb Gertenbach den Prozess, wie sich kreative Räume planen lassen mit den Schritten Organisation, Wertschöpfung, Raumstrategie und Nutzungsentwicklung. Die Idee eines linearen Planungsverlaufs bis zum Ziel ließe sich in der Realität nicht immer verwirklichen, da die Prozesse oft mehrschichtig sind und sich Abhängigkeiten verändern. Auch hier ist die Form der Kommunikation gefragt, um unterschiedliche Beteiligte von Raumkonsumenten zu Raumproduzenten in den Prozess zu integrieren.
„Kommunikative Planungsprozesse: Was sie leisten können – und wo ihre Grenzen liegen.“ Mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis zeigte Prof. Dr. Ursula Stein welche Chancen Planungsprozesse für die Stadtkultur bieten. Der gemeinsame Raum gehe alle an. Unterschiedliche Menschen prägen die Stadtkultur. Beteiligungsprozesse bieten die Möglichkeit in vielfältigen Diskussionen die verschiedenen Sichtweisen und Perspektiven nachvollziehbar zu artikulieren und Akzeptanz zu schaffen.
„Aber gute Kommunikation ersetzt keineswegs die Aufgabe der Professionellen, mit Kreativität zu guten Lösungen beizutragen sowie die Pflicht zur Entscheidung für die Politik“, so Stein. Mit Entscheidungen können in der Regel aber nicht immer die Interessen Aller berücksichtigt werden. Im Kommunikationsprozess liegt außerdem die Herausforderung für die Bürger, auch andere Interessen gelten zu lassen. Und für alle gilt, gegenseitig die spezifischen Kompetenzen, wie beispielweise auch lokale Sachkenntnis, anzuerkennen.
In der Abschlussdiskussion, moderiert von der Vorsitzenden des Arbeitskreises Stadtplanung Barbara Neumann-Landwehr tauschten sich die Referenten zu vielen Aspekte von Beteiligungsverfahren aus. Dabei wurde auch die Frage gestellt, ob es auch Aufgabe der Architektenkammer sein könnte, Prozessberatung für Kommunen anzubieten, sozusagen in der Phase null – besonders kleine Kommunen zu unterstützen, analog zum mobilen Gestaltungsbeirat.
Wer ist die Stadt? Oder: Keine Kommunikation ist auch keine LösungUniv.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Selle RWTH Aachen
Kommunikation und PlanungPsychologische AnmerkungenProf. Dr. phil. nat. Riklef Rambow, KIT Karlsruher Institut für Technologie
Stadt verstehen, erfinden, aktivierenStrategien der VisualisierungJörn Gertenbach, Urban Catalyst studio, Berlin
Kommunikative PlanungsprozesseWas sie leisten können – und wo ihre Grenzen liegenProf. Dr.-Ing. Ursula Stein Stein+Schultz Stadt-, Regional- und Freiraumplaner, Frankfurt a.M.