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Am 23. und 24. Mai war Hamm in Westfalen zum zehnten Mal der Nabel der deutschen Baurechtswelt. Rund 400 Juristen, Richter, Sachverständige und Planer diskutierten gemeinsam in fünf Arbeitsgruppen beim Deutschen Baugerichtstag wichtige aktuelle rechtspolitische Themen und wollen mit den erzielten Ergebnissen Empfehlungen für Politik und Gesetzgebung, aber auch die Praxis geben.
Rahmenbedingungen und die etablierte Regulatorik passen nicht mehr, um effizientes und innovatives Bauen zu ermöglichen, den Wohnungsbau anzukurbeln und Nachhaltigkeitsziele realisieren zu können. Strukturen und eingefahrene Bauprozesse müssen sich ändern und teils langjährig eingeschliffene Gewohnheiten auf den Prüfstand. Dazu will der Baugerichtstag wichtige Impulse für Anpassung und Weiterentwicklung des Rechts liefern. Den stärksten Zulauf hatte das Forum der gemeinsam tagenden Arbeitskreise "I Bauvertragsrecht" und "VI Sachverständige", das sich mit dem Thema "Anerkannte Regeln der Technik – Neudefinition zur Nachweisbarkeit" beschäftigte. Wie lässt sich dieses juristische Hilfskonstrukt „a.R.dT.“ fassen und wie ist es abzugrenzen gegenüber der nicht mehr überschaubaren Zahl von technischen Regeln, wie sie von – privatrechtlich organisierten – Herausgebern erarbeitet werden, wie insbesondere DIN e.V.? Und in welchem Verhältnis stehen die beiden zum Mangelbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuchs?
Im Einführungsbeitrag zeigte der Leiter des Arbeitspreis VI, Prof. Matthias Zöller, einerseits auf, dass sich zwischenzeitlich in der juristischen Literatur und Praxis eine ganze Reihe teils mehr, teils weniger differierender Definitionen finden, was denn nun eine anerkannte Regel der Technik ausmache. Dies verkompliziert die konkrete Beurteilung, was denn nun im konkreten Einzelfall a.R.d.T. gewesen wäre. Dazu kommt, dass im Streitfall immer nur ein retrospektives Vorgehen möglich ist. Andererseits lassen sich die in den Definitionen verwendeten Merkmale wie „allgemein anerkannt“ oder „überwiegend bekannt“ vom Sachverständigen im gerichtlichen Prozess objektiv gar nicht belegen. Der Arbeitskreis schlägt daher einheitliche Merkmale als zwingende Voraussetzungen für anerkannte Regeln der Technik vor: 1. Wissenschaftliche Richtigkeit 2. Evaluierung unter realistischen Prüfbedingungen 3. Einsatz und Bewährung in der Praxis über einen längeren Zeitraum
In der juristischen Praxis soll die Inbezugnahme bzw. Anwendung von anerkannten Regeln der Technik sicherstellen, dass der Besteller – im Baubereich also der Bauherrn bzw. Immobilienbesitzer – eine Planung und Ausführung erhält, die Funktionalität und Tauglichkeit über die intendierte Gebrauchsdauer erwarten lässt. Diese ist in der Regel deutlich länger als die vertragliche Gewährleistungsfrist und somit die Haftung der Auftragnehmer. Im Ergebnis kam der Arbeitskreis des Baugerichtstags zum Schluss, dass eine Abweichung von einer anerkannten Regel der Technik also kein Mangel ist, wenn die alternative Lösung in gleichem Maße Funktionalität und Gebrauchstauglichkeit erwarten lässt. Darüber hinaus sollen Abweichungen von üblichen Komfort- und Qualitätsstandards – ohne Beeinträchtigung der Funktionalität oder Gebrauchsfähigkeit während der vorgesehenen Nutzungsphase – (weiterhin) keinen Mangel darstellen, sofern diese ausdrücklich vereinbart sind und der Auftraggeber über die möglichen Auswirkungen verständlich aufgeklärt wurde.
In intensiver Diskussion – zwischen Juristen auf der einen und Praktikern auf der anderen Seite – wurde um die passende Formulierung für den Sachverhalt gerungen, dass die Anwendung einer anerkannten Regel der Technik zwar technisch richtig sein mag, jedoch im konkreten Einzelfall überzogen bzw. nicht zwingend erforderlich und somit im Sinne wirtschaftlichen Handelns unnötig sein kann. Da der Architekt i.d.R. auch zu wirtschaftlichen Planungen verpflichtet ist, stellt sich die Frage nach der Haftung bzw. Verpflichtung zur Aufklärung oder Suche nach einer kostengünstigeren Lösung. Dass es hier im Spannungsfeld zum möglichen Mangelvorwurf nicht zu einer Einigung kam, zeigt sich im eher unentschiedenen Abstimmungsverhalten zu den betreffenden Thesenvorschlägen.
Das Forum lieferte aber noch weitere wichtige Erkenntnisse sowie Empfehlungen an Regelsetzer, die zu Transparenz und Dokumentation des Entstehungsprozesses aufgefordert werden. So fand die Aussage „Eine Vermutungswirkung, dass technische Regeln a.R.d.T. sind, ist die Ausnahme“ überwältigende Zustimmung. Auch Daniel Schmidt, Vorstandsmitglied von DIN e.V., betonte in der Diskussion, dass DIN-Normen eine, aber nicht die einzige Richtschnur für technisch einwandfreies Handeln sind. Normen kann man anwenden, muss es jedoch nicht, solange dies nicht durch gesetzliche Vorgaben oder explizite privatrechtliche Vereinbarungen vorgeschrieben ist.
AK I – Bauvertragsrecht / AK VI – Sachverständigenrecht: Empfehlungen
In der Praxis bzw. im allgemeinen Sprachgebrauch ist häufig auch von den "allgemein anerkannten Regeln der Technik - a.a.R.d.T." die Rede. Inhaltlich bzw. in der Relevanz besteht jedoch kein Unterschied zu den "anerkannten Regeln der Technik". Die Begriffe sind synonym zu sehen, wie auch ggf. alternative oder auch früher gebräuchliche Begriffe wie "Regeln der Baukunst" o.ä. Abzugrenzen sind sie jedoch zumindest gegenüber dem
Die beiden Definitionen stammen aus dem "Handbuch der Rechtsförmlichkeit"; auch dazu gibt es genauso viele mehr oder weniger differierende Definitionen wie bei den "anerkannten Regeln der Technik".
... bei rechtlichen Planungsgrundlagen und technischen Regelwerken: Jährliche Zusammenstellung bei den Stuttgarter Bausachverständigentagen
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