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Seit mehr als 15 Jahren wirbt Bernd Müller, Initiator der Heidelberger Schlossgespräche, um ihn. Am 26. März war es dann schließlich soweit: Bei der Jubiläumsveranstaltung war Sir David Chipperfield zu Gast. Vielleicht wäre er besser schon viel früher gekommen? Da hätte er den üblichen Architekturvortrag mit ein paar schönen Projekten gehalten. Angesichts der zunehmenden klimatischen Probleme und in Zeiten sozialer Ungerechtigkeit sei eine Architektur der spektakulären Bilder für ihn aber zwischenzeitlich nicht mehr relevant, so der Pritzker-Preisträger. Die Architektur müsse neue Standpunkte finden, weg von der visuellen Prägung hin zu physischem Erleben und gesellschaftlicher Teilhabe.
590 Gäste im vollbesetzten Heidelberger Schloss wollten Chipperfield sehen und hören. Sie hatten Glück, denn bei mehr als 1.200 Anmeldungen mussten die meisten Interessenten auf den Livestream ausweichen. Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz konnte in seiner Begrüßungsrede in Superlativen schwelgen: das meistbesuchte Schloss Deutschlands mit der bestbesuchten Architekturveranstaltung und den prominentesten Gästen – Sir David Chipperfield ist bereits der dritte Pritzker-Preisträger.
Dieser begann seinen Vortrag mit grundsätzlichen Gedanken zur gesellschaftlichen Verantwortung der Architektur in der heutigen Zeit. Dazu gehöre unbedingt der achtsame Umgang mit dem architektonischen und städtebaulichen Erbe. Wie dies gelingen kann, zeigte Chipperfield anhand verschiedener Beispiele: Die prägendste Erfahrung war für ihn die Arbeit am „Neuen Museum“ in Berlin, bei dem er sich überzeugend mit der Ruine als archäologisches Objekt auseinandersetzte. Die Rekonstruktion der alten Form, ursprünglicher Wunsch der Öffentlichkeit, kam mit der geschichtlichen Vorbelastung des Hauses nicht in Frage. Anders als bei der Sanierung der Nationalgalerie von Mies van der Rohe, bei der sich Chipperfield als gestaltender Architekt fast vollständig zurücknahm: Es galt, eine Architektur der Sechzigerjahre ohne optische Brüche mit aktuellen Nachhaltigkeitsanforderungen zu vermählen und möglichst viele der alten Materialien wiederzuverwenden. Eine Herausforderung, die vorbildlich bewältigt wurde.
Die Verantwortung der Architektur für die Gesellschaft prägt auch Chipperfields Tätigkeit außerhalb des Büros. Sei es die Arbeit als Kurator der Architektur Biennale 2012, bei der er 120 Architekt:innen-Egos zu dirigieren hatte, oder die als Herausgeber der Architekturzeitschrift „Domus“. Zwischenzeitlich bringt Chipperfield sich mit seiner Stiftung Fundación RIA in Galizien – eine, wie er sagt, autonome aber auch etwas vergessene Provinz im Nordwesten Spaniens – als Stratege, Ratgeber und Ermöglicher ein, der sich in die ganz frühe Planungsphase einschaltet und unter anderem Wettbewerbe organisiert: „Wir können die Aufgabenstellung beeinflussen – und damit Vorgaben machen, die Qualität überhaupt erst ermöglichen.“
In der dem Vortrag folgenden Diskussion mit AKBW-Ehrenpräsident Wolfgang Riehle präzisierte Chipperfield nochmals: Er glaube nach wie vor an die Schönheit der Architektur, aber diese könne nicht mehr von den gesellschaftlichen Anforderungen unserer Zeit, insbesondere Fragen der Nachhaltigkeit, gelöst werden. Die alten Glaubenssätze seiner Generation seien somit nicht mehr relevant: „Wir sehen inzwischen die Konsequenzen unserer Arbeit“, so der Pritzker-Preisträger. Mit seiner Stiftung habe er die Möglichkeit, die Zukunft neu zu gestalten.
War Chipperfield wirklich zehn Jahre zu spät gekommen? Nach einem Abend mit einer beeindruckenden Architektenpersönlichkeit wird diese Frage wohl jeder verneinen.
Die 26. Heidelberger Schlossgespräche mit der US-amerikanischen Architektin Jeanne Gang finden am Mittwoch, 5. November 2025 statt.