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Was macht sie erfolgreich – und wo lauern Stolpersteine?
Diese und viele weitere Fragen standen im Mittelpunkt der internen Veranstaltung „Ihre Erfahrung zählt“ am 17. November 2025 im Haus der Architektinnen und Architekten in Stuttgart. Vertreter:innen vergangener und künftiger Gartenschauen kamen zusammen, um Erfahrungen zu teilen, voneinander zu lernen und neue Perspektiven – insbesondere für eine mögliche Neckar-Gartenschau – zu entwickeln.
Doch das Treffen war weit mehr als nur ein Erfahrungsbericht – es war Teil eines neuen, vernetzten Arbeitsansatzes der Kammergruppen im Kammerbezirk Stuttgart im Rahmen des laufenden Transformationsprozesses Kraft der Region. Ziel ist es, regionale Themen sichtbarer zu machen und gemeinsam über kommunale Grenzen hinweg wirksam zu werden.
Der Neckar als verbindendes Thema – Blick nach vorn: BUGA 2043?
Zu Jahresbeginn hatten die Kammergruppen des Bezirks Stuttgart gemeinsam Themen identifiziert, die sie in der Region bewegen. Der Neckar wurde dabei als verbindendes Element in und unmittelbar um Stuttgart hervorgehoben: Der Wunsch, den Fluss wieder zugänglicher und erlebbarer für Bürger:innen zu machen, vereint viele Akteure. Die Vision: eine interkommunale Bundesgartenschau (BUGA) im Jahr 2043, mit Stuttgart, Esslingen und Ludwigsburg als zentrale Orte. 50 Jahre nach der IGA (Internationale Gartenbauausstellung) in Stuttgart 1993 könnte erneut ein Impuls für Stadtentwicklung entlang des Neckars entstehen. Klar ist: Der Planungshorizont ist lang, viele der heutigen Akteur:innen werden zur Zeit einer BUGA 2043 nicht mehr im Amt sein. Doch genau deshalb braucht es jetzt erste Impulse, Netzwerke – und Räume für Erfahrungsaustausch. Die Veranstaltung „Ihre Erfahrung zählt“ war ein erstes sichtbares Ergebnis dieses Denkens.
Landesgartenschau Freudenstadt & Baiersbronn 2025Cornelia Möhrlen, Geschäftsführerin
Cornelia Möhrlen gab einen fundierten Einblick in den 15‑jährigen Planungshorizont der bilateralen Landesgartenschau Freudenstadt & Baiersbronn. Sie hob hervor, dass das Projekt vor allem durch eine starke interkommunale Zusammenarbeit sowie die Einbindung über 1.000 Ehrenamtlicher getragen wurde. Zu den Erfolgsfaktoren zählten die enge Kooperation mit dem ÖPNV, lokale Gastronomiepartnerschaften und eine zielgruppenspezifische Ansprache. Eine zentrale Herausforderung bestand im Umgang mit Erwartungen: Besonders die Zielgruppe 60+ hatte sich eine eher klassische Gartenschau mit Blumenschauen gewünscht und weniger die stark wanderorientierten Angebote. Ca. 12 Euro Durchführungshaushalt, zusätzlich rund 30 Mio. Euro kommunale Investitionen sowie Einnahmen aus Eintritt und Sponsoring. Für die Nachnutzung sei es entscheidend, die entstandenen Strukturen zu verstetigen und das Engagement der Ehrenamtlichen langfristig zu sichern.
Gartenschau Remstal 2019Stefan Altenberger & Thorsten Englert
Die Vertreter der Remstal Gartenschau berichteten von der ersten interkommunalen Gartenschau in Deutschland, die 2019 parallel zur BUGA Heilbronn stattfand. Die 80 Kilometer lange Strecke „Von der Quelle bis zur Mündung“ zog über zwei Millionen Besucher an und etablierte mit Projekten wie der 1,3 km langen Kugelbahn Anziehungspunkte, die bis heute genutzt werden. Die größte Herausforderung lag darin, verbindende Klammern zwischen den zahlreichen Gemeinden zu definieren – insbesondere da viele Kommunen zunächst nur bis zur eigenen Gemarkungsgrenze dachten. Struktur und Organisation wurden durch eine eigens gegründete Gesellschaft getragen, in der Oberbürgermeister, Landräte und der Verband Region Stuttgart vertreten waren. Die umfangreichen Investitionen – insgesamt rund 100 Mio. Euro in Infrastruktur – haben nachhaltige Wirkungen erzielt: etwa durch ADFC-zertifizierte Radwege, ein überregionales Wanderwegenetz oder Kanu-Routen entlang der Rems. Wichtig sei jedoch, das Modell auch für kleinere Gemeinden finanzierbar zu halten und Kosten fair zu verteilen.
Bundesgartenschau Heilbronn 2019Oliver Toellner, Grünflächenamt Heilbronn
Oliver Toellner stellte die BUGA 2019 als Modell einer konsequent kooperativen Gartenschau vor, die Landschaftsarchitektur, Stadtumbau und Wohnen miteinander verband. Die Kooperation mit der experimenta, die Öffnung des Neckarufers und die Integration einer Wohnausstellung bildeten zentrale Bausteine. Insgesamt besuchten 2,3 Millionen Menschen das Gelände; einmal musste aufgrund des Besucheransturms sogar temporär geschlossen werden. Unter dem Leitmotiv „Gestaltung des schönen Tages“ wurde bewusst eine positive, erlebnisorientierte Stimmung erzeugt – ein Zugang, der das Thema Stadtumbau leichter vermittelbar machte. Die Organisationsstruktur der BUGA beschäftigte zeitweise bis zu 80 Angestellte. Aktuell arbeitet Heilbronn an einem Konzept für European Green Capital, das die gewonnenen Erfahrungen in deutlich größerem Maßstab weiterdenkt.
Landesgartenschau Ulm 2030Edith Heppeler & Susanne Knäuer
Die Geschäftsführerinnen der LGS Ulm 2030 berichteten von der besonderen Herausforderung, eine urbane Gartenschau im Spannungsfeld zwischen Natur, Denkmalschutz und hoch frequentierten Verkehrsachsen – insbesondere der B10 – zu planen. Bürgerbeteiligung wurde von Anfang an als zentraler Bestandteil in Form von Workshops integriert. Durch Sparmaßnahmen mussten allerdings Flächen reduziert werden. Die Themen der Ulmer LGS konzentrieren sich auf Erleben, sozialen Zusammenhalt und Nachhaltigkeit. Wichtig sei, dass Daueranlagen frühzeitig geplant werden, während Ausstellungskonzepte flexibel bleiben müssen, da sich im Verlauf der langen Prozessdauer vieles verändere. Daueranlagen seien im Regelfall die einzigen Elemente, die langfristig wirksam in die Stadtentwicklung hineinreichen.
Gartenschau Benningen & Marbach 2033Franziska Wunschik & Janus Baldermann, Markus Kaiser (Stadt Marbach a. N.)
Unter dem Motto „natürlich.miteinander“ stellten die Vertreter:innen aus Marbach am Neckar die Planungen für die interkommunale Gartenschau 2033 Benningen und Marbach a. N. vor. Zentrale Herausforderungen sind die Verkehrssituation entlang der L1100 (Straßenbaulast Regierungspräsidium Stuttgart), die Balance zwischen Parkierung und neuen Grünflächen sowie die Abstimmung zwischen Hochwasserschutz und Zugänglichkeit zum Wasser. Ein wesentliches Thema ist der Neckar als überregionales Gesamtkonzept – möglicherweise eröffnen sich dadurch neue Fördermöglichkeiten. Zu den geplanten bleibenden Strukturen gehören u. a. die Weiterentwicklung der Neckarauen mit einer neuen Flussüberquerung.
Die abschließende Diskussionsrunde wurde zur Denkwerkstatt: Im Zentrum standen nicht nur inhaltliche Fragen zur Gestaltung künftiger Gartenschauen, sondern auch strukturelle Herausforderungen in Planung und Umsetzung. Immer wieder benannt wurden administrative Hürden und fragmentierte Zuständigkeiten, die einen übergeordneten planerischen Ansatz erschweren. Verwaltungssilos aufzubrechen und Räume für integratives Denken zu schaffen – das wurde als zentrale Voraussetzung für erfolgreiche Transformation formuliert.Straßenverkehrsplanung, so ein wiederkehrender Punkt, spielt eine Schlüsselrolle, wenn Landschafts- und Freiraumqualität in Konkurrenz zu Mobilitätsinfrastrukturen stehen. Hier braucht es klare Prioritäten, aber auch flexible Instrumente, um langfristige Entwicklungsziele nicht dem Status quo unterzuordnen.Ein Thema mit Langzeitwirkung: der Zeithorizont von Gartenschauen. Ausstellungskonzepte und Daueranlagen müssen gesellschaftlichen Wandel über Jahrzehnte hinweg mitdenken – sie sollen zugleich robust und offen genug sein, um auf neue Anforderungen reagieren zu können. Die Notwendigkeit eines balancierten Erlebnismixes wurde deutlich: Einerseits die Erwartung klassischer Elemente wie Blumenschauen, andererseits der Anspruch, zeitgemäße Inhalte wie Klimaanpassung, Biodiversität oder soziale Resilienz stärker zu verankern.Vorgestellt wurden Formate, die Beteiligung nicht als Add-on, sondern als Gestaltungselement begreifen: regelmäßige Geländespaziergänge, mobile Infoboxen, Informationsfahrzeuge, aber auch Baustellenfeste oder repräsentative Verfahren wie in Ulm (in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung). Heilbronn wiederum berichtete vom erfolgreichen Einbezug des Jugendgemeinderats, der sich aktiv in die Konzeption von Daueranlagen einbrachte.
Weiterdenken im Maßstab der Region – Gartenschauen als Impulsräume
Die Veranstaltung hat eindrücklich gezeigt: Regionale Zusammenarbeit ist keine Vision – sie wird bereits gelebt. Das Wissen ist da, die Netzwerke wachsen, und der Neckar – als landschaftliche, städtebauliche und symbolische Achse – eröffnet der Region Stuttgart ein beispielloses Transformationspotenzial.Im Kontext von „Kraft der Region“ gilt es nun, dieses Momentum zu nutzen: regionale Kräfte zu bündeln, Verantwortlichkeiten zu verteilen und den Dialog in belastbare Strukturen zu überführen. Eine interkommunal gedachte Bundesgartenschau im Jahr 2043 kann dabei weit mehr sein als ein fernes Ziel – sie wird zum Prozess, an dem die Architektenschaft von Anfang an gestaltend mitwirken sollte. Erste Weichen werden bereits gestellt – wie die aktuelle BUGA-Initiative zeigt.Die Kammer als Akteurin in regionalen Transformationsprozessen
Im Austausch wurde klar: Die Architektenkammer kann mehr als begleiten. Sie kann moderieren, vernetzen und verstärken. Als Berufsstand, der Räume nicht nur baut, sondern auch gesellschaftlich denkt, ist sie prädestiniert, neue Prozesse frühzeitig mitzugestalten – und Position zu beziehen.
Transformation braucht Haltung – aber auch Mut zur Unschärfe. Die Kammergruppen im Bezirk Stuttgart verfügen über reale Gestaltungsspielräume, um diesen Prozess aktiv mitzutragen – als Raumgestalter:innen, Moderator:innen und Macher:innen.
Gartenschauen als Zukunftslabor
Ein starkes Signal: Alle eingeladenen Expert:innen von fünf laufenden oder abgeschlossenen Gartenschauen haben nicht nur zugesagt – sie haben das Netzwerktreffen aktiv bereichert. Dieses breite Engagement zeigt, dass Gartenschauen mehr sind als Events. Sie sind temporäre Interventionen mit langfristiger Wirkung, in denen Raum, Gesellschaft und Politik in neuem Maßstab zusammengedacht werden.Gartenschauen verlangen oft unkonventionelles Denken, neue Allianzen und eine Kultur des Vorläufigen. Das macht sie zu idealen Feldern für Innovation in der Stadtentwicklung. Gleichzeitig gilt: Ohne sichtbare Dokumentation des Davor bleibt der Erfolg des Danach unsichtbar. Der Vorher-Nachher-Vergleich ist nicht nur narrativ relevant – er sichert gesellschaftliche Akzeptanz und ermöglicht architektonisch-räumliche Lernerfahrungen für zukünftige Prozesse.