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Am 17. Oktober 2024 fand im Haus der Architektinnen und Architekten in Stuttgart das 38. Hohenheimer Gespräch statt. Organisiert von den FÜNF Stuttgarter Kammergruppen unter der Leitung der Kammergruppe Stuttgart Süd, drehte sich die Veranstaltung um das Thema „Ästhetik einer nachhaltigen Architektur“.
Den Abend eröffnete Freimut Jacobi, der Kammergruppe Stuttgart Süd. In seiner Begrüßung stellte er die zentrale Frage des Abends: Erfordert nachhaltige und CO₂-neutrale Architektur eine neue Ästhetik? Oder entsteht diese Ästhetik von selbst durch die neuen Rahmenbedingungen? Wie gehen Architekt:innen mit diesen Herausforderungen um?
Gudrun Sack, Geschäftsführerin der Tegel Projekt GmbH und Moderatorin der Veranstaltung, eröffnete die Diskussion mit der Überlegung, dass jede Epoche ihre eigene architektonische Ästhetik hervorbringt, die oft die gesellschaftlichen Strömungen der Zeit widerspiegelt. In der Gegenwart zeigt sich dies besonders in der Herausforderung, Altes und Neues zusammenzuführen. Doch wie passt die Nachhaltigkeit in diese ästhetische Entwicklung?
Silvia Schellenberg-Thaut vom Architekturbüro Atelier ST betonte, dass nachhaltiges Bauen nicht nur ein Trend, sondern eine Notwendigkeit sei. Sie wies darauf hin, dass es nicht ausreichen dürfe, nachhaltige Materialien zu verwenden – es müsse auch sichergestellt werden, dass Gebäude langfristig bestehen können. Für Schellenberg-Thaut liegt die Herausforderung darin, Gebäude zu entwerfen, die anpassungsfähig, langlebig und flexibel sind. Sie warnte jedoch davor, Nachhaltigkeit als Ausrede für schlechte Architektur zu nutzen und betonte, dass ein ästhetischer Anspruch nicht verloren gehen dürfe. Dr. Wolfgang Bachmann, Architekt und Architekturjournalist, ergänzte, dass „nachhaltiges Bauen unsichtbar“ seien kann und man einem Gebäude nicht zwangsläufig ansehen müsse, dass es nachhaltig ist. Für ihn können Nachhaltigkeit und Ästhetik auch unabhängig voneinander gedacht werden.
Auf die Frage von Dr. Wolfgang Bachmann nach der Komplexität des Entwurfsprozesses beim nachhaltigen Bauen, erklärte Friederike Kluge vom Basler Architekturbüro alma maki, dass die neuen Anforderungen an nachhaltiges Bauen zwar den Entwurfsprozess komplizierter machten, dies jedoch auch Raum für kreative und innovative Lösungen biete. Für Kluge bedeutet nachhaltiges Bauen, dass jedes Projekt individuell und lokal angepasst werden muss. Sie sprach sich dafür aus, alte und neue Bauteile miteinander zu kombinieren, um eine harmonische Balance zwischen Vergangenheit und Zukunft zu schaffen. Auf die Frage, ob Architekt:innen zuerst entwerfen und dann nach nachhaltigen Materialien suchen oder ob der Entwurfsprozess bereits durch die Verfügbarkeit nachhaltiger Baustoffe bestimmt wird, betonte Friederike Kluge, dass beides möglich sei – der Prozess sei immer abhängig von den spezifischen Projektanforderungen. Zusätzlich plädierte sie für eine Architektur, die Gebrauchsspuren und Reparaturen nicht versteckt, sondern bewusst als Teil der Ästhetik anerkennt - eine Ästhetik der Imperfektion.
Ein anderer Punkt, der vom Publikum kritisch angemerkt wurde, war die Skalierbarkeit nachhaltiger Lösungen. Während sich zirkuläres Bauen und die Verwendung von alten Bauteilen oft gut für kleinere Projekte eignen, sei es schwieriger, diese Konzepte auf große Bauvorhaben oder die Planung ganzer Stadtviertel zu übertragen. Hier sah ein Teilnehmer der Diskussion noch großen Handlungsbedarf – sowohl in der Architektur, der Diskussion und auch in den Regularien.
Zum Abschluss der Diskussion griff Gudrun Sack die Frage der Regulierungen und Vorschriften auf, die derzeit noch viele Ansätze zur Wiederverwendung von Bauteilen erschweren. Die Panelteilnehmenden waren sich einig, dass hier Änderungen notwendig seien, um nachhaltiges Bauen auf breiter Ebene zu ermöglichen. Silvia Schellenberg-Thaut forderte in diesem Zusammenhang mehr Freiheiten für Architekt:innen, um innovative Lösungen entwickeln zu können.
Das 38. Hohenheimer Gespräch war geprägt von einer intensiven Diskussion und vielfältigen Perspektiven auf die Frage, wie nachhaltiges Bauen und Ästhetik zusammenwirken können. Die Veranstaltung machte deutlich, dass der Weg zu einer nachhaltigen Architektur nicht nur eine technische, sondern auch eine kulturelle und ästhetische Herausforderung darstellt und ein Umdenken in der Gestaltung und Planung erfordert. Wie genau sich diese Veränderungen in der Praxis umsetzen lassen und welche ästhetischen Impulse daraus erwachsen, bleibt spannend.