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Frau Gebhard, bei ARCHIKON 2021 sprechen Sie mit dem Präsidenten der Architektenkammer, Markus Müller, über „Unser Land neu denken!“. Sind die Herausforderungen so fundamental und groß, wie die Überschrift andeutet?
Ja, die Herausforderungen sind wirklich fundamental und vielleicht sogar zu groß, um sie innerhalb einer Generation zu bewältigen. Grundsätzlich sollte der Kompass, wie wir in Zukunft leben wollen, neu justiert werden. Die Chance dieses Neuanfangs liegt darin, die Frage der Klimakrise im Verhältnis zur Verstädterung sowie den Artenschutz und die Bodenkrise über die transformatorische Kraft der Städte zu steuern. Dazu müssen wir die Stoffströme verstehen, den Metabolismus der Stadt und die Voraussetzungen für eine urbane Lebensqualität. Schnelles Handeln und langfristiges Denken gilt es dafür zwingend miteinander zu verschränken. Es müssen Lösungsansätze für jede einzelne Stadt entwickelt werden. Dabei ist die Eigenart der Städte in viel größerem Maß zu berücksichtigen, als dies bisher in der Planung erfolgte. Die Verunsicherung nach dem nun einsetzenden Ausverkauf der Innenstädte und der Veränderung der Arbeitswelten, aber vermutlich auch ein extrem ausgebildeter Hedonismus im Anschluss an die Krise stellt uns als Planerinnen und Planer vor zahlreiche anspruchsvolle Fragen.
Sie beschreiben als Ihre „Philosophie“, unterschiedliche Denkweisen, Ansätze und Methoden der Fachbereiche zu vernetzen und jeden Ort als singulären Ort mit eigener Geschichte und eigenem Charakter zu betrachten. Wie nah oder weit sind die Planungsprozesse davon entfernt?Von unserer Philosophie versuchen wir uns in jedem Planungsprozess möglichst nicht zu entfernen. Stattdessen stellen wir uns immer wieder unangenehmen Fragen und scheuen uns auch nicht, mit Bauherren schwierige Diskussionen zu führen. Wie nah oder wie weit wir dabei in den Planungsprozessen gehen können, hängt natürlich vom Ort, von der Aufgabe und auch von den Beteiligten ab. Wir sind in unserem Büro immer motiviert, uns mit neuen Ideen auseinanderzusetzen, die in der Luft liegenden Fragestellungen aufzugreifen und diese neu zu interpretieren. Wir versuchen zudem jedes Jahr, ein Projekt zu entwickeln, für das wir weder beauftragt sind noch Planungsgrundlagen haben, sondern für das nur eine Idee herumschwirrt. So war es zum Beispiel bei der Entwicklung der Paketposthalle in München zu einem Kulturzentrum. Diese Idee stammt aus unserem Büro. In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit sehe ich darüber hinaus die Möglichkeit und ein großes Freiheitspotenzial, Ideen in ganz anderen Zusammenhängen und Strukturen zu diskutieren.Die Architektenkammer Baden-Württemberg plädiert für motivierende Stadtplanung. Wie würden Sie diese definieren?Eine motivierende Stadtplanung ist eine Stadtplanung, die ihre Ziele und Ideen den Menschen so vermittelt, dass die politische Öffentlichkeit diese annimmt, diskutiert und mit der Bevölkerung gemeinsam erörtert. Daraus sollten dann Projekte entstehen, die allen dienen und von allen getragen werden.Welche Botschaften senden Sie im IBA-Expertenrat?Bei meiner Recherche über ihre Ziele ist mir aufgefallen, wie wenig noch die Frage der Landschaft betrachtet wird. Es geht zunächst um die Themen Bauen, Wohnen, Arbeiten und Infrastruktur. Mindestens ebenso wichtige Aspekte wie Landschaft, Artenschutz, Bodenschutz und Klima mögen zwar impliziert sein, sollten aber einen stärkeren Fokus erhalten. Aus meiner Sicht zählen diese Themen zu den wichtigsten Zukunftsfragen. Ich komme nochmals kurz auf den Metabolismus der Stadt zurück: Ich denke einem IBA-Expertenrat würde es gut anstehen, wenn er sich mit den Stoffkreisläufen auseinandersetzt, die notwendig sind, um eine Stadt zu entwickeln, zu ernähren, und die Frage stellt, wie wir langfristig mit der landwirtschaftlichen Produktion umgehen.Konkret gefragt: Sie sind seit 2018 Mitglied im Gestaltungsbeirat Friedrichshafen, einer stark von Nachkriegsbauten geprägten Stadt. Können Sie beispielhaft Herausforderungen nennen?Richtig, Friedrichshafen ist eine sehr stark von Nachkriegsbauten geprägte Stadt. Die Herausforderung besteht vor allem darin, aus diesen Nachkriegsbauten neue Entwicklungen zu interpretieren. Friedrichshafen ist eine Stadt, die in der Mitte des letzten Jahrhunderts neu entstanden ist und versucht hat, neue Ideen zu verwirklichen. Nun geht es darum, wie diese umgesetzt werden können. Wirklich neue Ansätze entstehen, wenn wir die Planungen der 1950er-Jahre neu interpretieren und mit heutigen Überlegungen verschneiden und sich vielleicht gerade deshalb ein ganz besonderes Stadtbild entwickelt. Das Wichtigste wäre aus meiner Sicht vor allem eine motivierende Stadtplanung. Also die Menschen dafür zu begeistern, sich mit der Stadt auseinanderzusetzen, und die Bauherren sowie die Architekten zu ermuntern, in Diskussion mit dem Gestaltungsbeirat zu treten, die auch gerne gegensätzlich sein kann.Ist der Anspruch der gleichwertigen Lebensverhältnisse im Land noch realistisch und einlösbar?Der Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land ist absolut realistisch und einlösbar. Es geht nicht um gleiche Lebensverhältnisse, sondern darum, welche Lebensverhältnisse wo angemessen sind, und wie die Wertigkeit gesehen wird. Das Land weist ganz andere Vorzüge auf als eine verdichtete Innenstadt. Ich würde nicht sagen, dass Stadt und Land in Konkurrenz stehen, sondern dass die unterschiedlichen Vorzüge auch in unterschiedlichen Lebensphasen für Menschen extrem wichtig sein können.Kann eine neue Leipzig Charta etwas bewegen?Die Leipzig Charta kann – wenn sie wirklich umgesetzt wird – viele Antworten auf die derzeit dringenden Fragen finden. Gerade die Frage der nachhaltigen Stadt wird hier ebenso thematisiert wie die Schönheit und die Partizipation … also eine hervorragende Ausgangsposition für unseren Beruf.Andrea Gebhard spricht im Podium IMLULS – RÄUME GESTALTEN um 11.30 Uhr und im Podium APPELL - UNSER LAND NEU DENKEN um 16.15 Uhr bei ARCHIKON
Wir haben Referentinnen und Referenten bei ARCHIKON befragt zum Verhältnis von urbanen und ländlichen Räumen, zu deren Perspektiven, Stärken, Potenzialen und Handlungsspielräumen. Welche Rolle spielt die Landschaftsarchitektur?