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Chancen und Strategien für den Ländlichen Raum – Rückblick Regionalkonferenzen 2017
Rund die Hälfte der Baden-Württemberger leben im Ländlichen Raum und in kleineren Städten bis 20.000 Einwohner. Namhafte Unternehmen und Weltmarktführer sind hier ebenso beheimatet wie innovative Kleinunternehmen und qualifizierte Handwerksbetriebe. Viele Regionen werden touristisch neu oder wieder entdeckt. Der Ländliche Raum ist eine Kulturlandschaft mit langer Tradition, die vielerorts neu und zeitgemäß auflebt. Nach den Umfragen der Bundesstiftung Baukultur aus dem Jahr 2016 würde die Mehrheit gerne auf dem Land oder in Kleinstädten leben. Gleichwohl steht der Ländliche Raum vor Herausforderungen.
Demographischer und struktureller Wandel, bisweilen erhebliche Abwanderungen, Nachteile in der infrastrukturellen und sozialen Versorgung, schlechte Erreichbarkeit und zögerlicher Ausbau leistungsfähiger digitaler Netze. Viele Gründe, sich mit dem Ländlichen Raum näher zu beschäftigen, sich vor allem mit den Menschen vor Ort, den Verantwortlichen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Planung auszutauschen und zu lernen.
Die Architektenkammer Baden-Württemberg hat daher gemeinsam mit der Akademie Ländlicher Raum und dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sowie unter Mitwirkung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau zwischen Mai und Juli 2017 vier Regionalkonferenzen durchgeführt. Insgesamt über 360 Teilnehmende aus Verwaltung, Politik und Planung kamen zu den Tagungen nach Schönau im Schwarzwald, Hermaringen, Meßkirch und Buchen im Odenwald.
Die Veranstaltungen standen unter der gemeinsamen Überschrift „Wohnen + Baukultur – Chancen und Strategien für den Ländlichen Raum“. Denn Impulse für das Wohnen, neue Wohnmodelle und Baukultur als integrierter Planungs- und Gestaltungsprozess sind wesentliche Entwicklungsfaktoren. In den Tagungen wurden Unterschiede, Gemeinsamkeiten, Schwerpunkte und Ideen in den vier Regionen beleuchtet. Prof. Kerstin Gothe, Prof. Mark Michaeli, Prof. Dr. Martina Baum und Reiner Nagel, Bundesstiftung Baukultur, lieferten mit ihren Beiträgen zur jeweiligen Veranstaltung Expertenwissen, wichtige Impulse und nicht selten überraschende Erkenntnisse.
Im Zentrum der halbtägigen Veranstaltungen standen die Praxisbeispiele aus den jeweiligen Regionen. Neben integrierten Planungskonzepten, städtebaulichen Entwicklungsprojekten, Freiraumgestaltungen und beispielhaften Gebäuden galt ein besonderes Augenmerk innovativen Holzbauprojekten. Diese verdeutlichen die Leistungsfähigkeit regionaler Planer und Unternehmen im Umgang mit dieser wichtigen Ressource. Die Projekte dokumentieren eindrucksvoll Engagement, Innovationsfähigkeit und Erneuerungswillen im Ländlichen Raum. Sie belegen die Qualifikation und Durchsetzungskraft der Verantwortlichen in Verwaltung und Gremien und veranschaulichen das Potential privater Initiativen und Bauherren.
Die Diskussionsrunden machten jedoch auch deutlich, dass auf Land nicht alles zum Besten steht. Ein zentrales Entwicklungshemmnis die Verfügbarkeit der Flächen. Ebenso gibt es den Themen Abwanderung, fehlende Investitionen im Wohnungsbau geringe Angebote für Wohnformen im Alter keine Antworten. Die aus Expertensicht erforderliche Intensivierung Mietwohnungsbaus im Ländlichen Raum ist für eine Mehrheit der Teilnehmenden dagegen weniger relevant. Dies in sehr niedrigen Baulandkosten und dem weit verbreiteten Image des Wohnens zur Miete begründet.
Weitgehend positiv bewertet wurden die Initiativen des Landes zur Förderung der Baukultur, wenngleich Gestaltungsbeiräte in den Gemeinden bislang wenig gefragt sind. Die angebotenen Förderprogramme werden und intelligent angewandt. Sie sollten aber den Bereich des Wohnungsbaus Schönau im Schwarzwald Hermaringen stärker fokussieren.
Die Veranstaltungsreihe hat gezeigt, dass das persönliche Engagement der Verantwortlichen aus Verwaltung, Politik und Gesellschaft Voraussetzung und Grundlage für Gemeindeentwicklung ist. Sie kann aber an der Gemarkungsgrenze nicht enden, sondern erfordert enge Zusammenarbeit innerhalb der Raumschaften.
So sind zielgerichtete Investitionen und Förderungen effektiv einsetzbar und eine ausgewogene Landesentwicklung möglich. Auf der privaten Ebene könnten die großen Unternehmen auch in der Wohnraumschaffung aktiv werden, um Pendlerverkehr zu reduzieren und die örtlichen Bindungen ihrer hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken.
Gerade im Ländlichen Raum kann Baukultur als integrierter Prozess zu einem Motor der Entwicklung werden, denn: „Baukultur steht für unsere Region und schafft Verbundenheit mit der Heimat. Zeitgemäße Wohnangebote, lebendige Orts- und Stadtkerne, einladende Plätze und Grünanlagen, intakte Infrastrukturen – dies sind entscheidende Faktoren für eine bessere Lebensqualität in unseren Gemeinden. Baukultur bietet mehr als architektonische Gestaltung. Im Sinne eines integrierten Ansatzes verbindet sie soziale, ökonomische, ökologische und gestalterische Themen. Darüber hinaus schafft Baukultur regionale Wertschöpfung“ (aus der Rede von Minister Peter Hauk MdL zur Eröffnung der Reihe in Schönau am 17. März 2017).
Matthias Schuster