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Der traditionelle Stadtspaziergang in der Reihe "Kammer vor Ort" führte in diesem Jahr quer durch den Talboden des Stuttgarter Westens. In den letzten Jahren sind hier vielfältige bauliche Veränderungen, aber auch eine sichtbare Belebung und Aufwertung des öffentlichen Raums spürbar geworden. Der Westen entwickelt sich immer mehr zu einem jungen und lebendigen Wohn- und Arbeitsquartier.
Insgesamt 24 Neubauprojekte, davon 10 neu gestaltete Freiflächen, gab es entlang der 3 Kilometer langen Strecke zu sehen. Zum Teil handelte es sich um bestehende, stark genutzte Grünflächen, die es durch Neuplanung an die Bedürfnisse der Bewohner anzupassen galt, wie der im Sanierungsgebiet S 28 liegende "Park hinter dem Gesundheitsamt", die Elisabethenanlage und der Bismarckplatz. Auch die zu Grünanlagen umgewidmeten ehemaligen Verkehrsflächen der Forst-, Falkert- und Breitscheidstraße tragen nun durch die Verkehrsberuhigung zu mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum bei. Die gezeigten Hochbauten zählen insgesamt 769 Wohnungen, 69 Pflegeplätze, 3 Kitas, 3 Sporthallen, 17.000 m² Büroflächen, kleine Läden, Cafes sowie Versorgungseinrichtungen für den täglichen Bedarf.
Eine Vielzahl der besichtigten Projekte wurde über zum Teil lang andauernde Planungsprozesse, meist unter aktiver Bürgerbeteiligung, auf den Weg gebracht. Die Verlegung der Jugendverkehrsschule und die dadurch ermöglichte Neugestaltung des Diakonissenplatzes, einer 5800 m² großen Grün- und Freifläche, wurde über 15 Jahre in den politischen Gremien diskutiert. Mal scheiterte es an einem fehlenden Ersatzstandort für eine moderne Jugendverkehrsschule, mal waren dem Gemeinderat andere Projekte wichtiger oder die Planungen schienen zu kostspielig. 2011 gab der "Teilrahmenplan Berliner Platz / Diakonissenplatz" schließlich den Auslöser für eine erste Planungswerkstatt für die Betroffenen rund um den Platz. Bis zum Sommer 2017 soll das nun laufende Gutachterverfahren unter Einbindung interessierter Bürgerinnen und Bürger entschieden werden, sodass der neu gewonnene öffentliche Raum in den nächsten beiden Jahren fertiggestellt werden könnte.
Oft scheint eine benachbarte oder vergleichbare Bauanfrage die Wirkung einer Initialzündung zu haben, die einen Planungsprozess in Bewegung setzt. So auch beim Vorhaben auf dem ehemaligen Verwaltungssitz der AOK, auf dem nun 189 Wohneinheiten entstanden sind. Zusammen mit den Planungen zum Gesundheitszentrum an der Rosenbergstraße und dem Paulinenpark auf der Fläche des ehemaligen Paulinenstifts sowie der Umwidmung des früheren Oberschulamts zu modernen Lofts, kam der Anstoß zum "Rahmenplan Talgrund", der eine klimagerechte und ortstypische Bebauung vorsieht und sichert.
Sämtlichen besichtigten Hochbauprojekten gemeinsam ist das Thema "Innenentwicklung vor Außenentwicklung" als neues Stadtentwicklungsmodell. Auf bebauten Grundstücksflächen der 50er und 60er Jahre, die wegen ihrer maroden und unwirtschaftlichen Immobilien freigeräumt werden konnten, oder auch auf nicht genutzten Nachkriegsbrachen sind in den letzten Jahren neue, verdichtete und attraktive Büro- und Wohnbauflächen entstehen. Ähnliches gilt für die städtebauliche Entwicklung der Krankenhäuser. Verließen die Hospitäler noch vor 150 Jahren die beengte barocke und mittelalterliche Altstadt, um sich vor den Toren der Stadt auf dem neu erschlossenen brachen Bauland zu vergrößern, so halten die Häuser heute, in einer erneuten Modernisierungsphase, an ihrem innerstädtischen Standort fest. Sie tragen seit der Aufsiedlung des Stuttgarter Westens wesentlich zum Charakter des Stadtteils bei.
Diakonissenkrankenhaus, Paulinenhilfe und Charlottenklinik haben sich auf einer gemeinsamen Fläche in mehreren Etappen zu einem modernen medizinischen Zentrum, dem Diakonie-Klinikum zusammengeschlossen. Dieser Klinikverbund bietet dem Stadtteil ein modernes Angebot an wohnortnaher, verdichteter und vielfältiger Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig haben die verstreut im Stuttgarter Westen liegenden, stadtzentrumsnahen ehemaligen kleinen Standorte des Paulinenstifts und der Charlottenklinik eine neue Nutzung gefunden: Hier sind attraktive Wohn- und Seniorenwohnflächen entstanden.
Auch das Olgahospital verlagerte seinen dringend notwendig gewordenen Neubau an einen nur 1,5 Kilometer entfernten Ort und bildet in der Stadtmitte zusammen mit der neuen Frauenklinik auf dem Gelände des Katharinenhospitals ein modernes Zentrum für Kinder-, Jugend- und Frauenmedizin. Auf der 1,7 Hektar großen Fläche des ehemaligen "Olgäles" können bis 2019 insgesamt 224 neue Wohnungen entstehen, davon 116 im geförderten Wohnungsbau nach dem Stuttgarter Innenentwicklungsmodell SIM (1/3 Sozialer Mietwohnungsbau, 1/3 Mietwohnungen für die mittlere Einkommensschicht und 1/3 preiswertes Wohneigentum).
Das Olga-Areal wurde in einem 10 Jahre dauernden beispielhaften Prozess unter engagierter Bürgerbeteiligung entwickelt. Es ist eine der größten Entwicklungsflächen der Stadt und gilt als Pilotprojekt für weitere größere Flächen der Innenentwicklung. Neben der Einführung und Anwendung von SIM erfolgte hier auch die Vergabe der städtischen Grundstücke erstmals zu einem Festpreis und nach fixen Kriterien. Neben klassischen Bauträgern und der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft SWSG bauen dort acht Baugemeinschaften 90 Wohnungen - ausdrücklicher Wunsch und Forderung der Stuttgarter Architektenschaft sowie der beteiligten Bürgerinitiative. Neben 224 Wohnungen entstehen auch eine Kita, ein Familienzentrum, ein Supermarkt und dringend benötigte Spiel- und Freiflächen für die neuen und alten Quartiersbewohner.
Insgesamt erweist sich der lange Prozess und hohe Planungsaufwand von Seiten der Verwaltung und Politik als gelungen. Die vielen Herausforderungen durch wechselnden politischen Anspruch oder veränderten Nutzungsbedarf und -nachfrage hatten aufgrund der Prozesshaftigkeit einen positiven Einfluss, der zu einem nachhaltigen Gewinn des Stadtteils beigetragen hat.
Das zeigen die Entwicklung des AOK-Geländes, auf dem ursprünglich 80 % Büroflächen geplant waren und schließlich 189 Wohnungen geschaffen werden konnten, sowie neue in Stuttgart entwickelte Planungsinstrumente wie der "Rahmenplan Talgrund" oder das neue Wohnungsbauförderungsmodell SIM, das erstmals eine Festpreis- mit Konzeptvergabe erprobte Baugemeinschaften förderte und intensive Bürgerbeteiligung ermöglichte.
Judith Zängle-Koch, Regierungsbaumeisterin, Kammergruppe Stuttgart Mitte-West