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Der ehemalige IBM-Campus in Stuttgart scheint jetzt eine Zukunft zu haben – Lehren aus Linz und Nürnberg
Nach sieben Jahren Hängepartie hat der ehemalige IBM-Campus in Stuttgart-Vaihingen seit Oktober einen neuen Besitzer. Der stellte sich am 24. Februar rund 300 Architekten im Tiefenhörsaal der Universität Stuttgart vor. Ursprünglich war geplant, mit der Betrachtung der Schicksale zweier anderer denkmalgeschützter, ehemals gewerblich genutzter Großimmobilien (das Quelle-Gelände in Nürnberg und mehr noch die ausgediente Tabakfabrik in Linz scheinen auf einem guten Weg in eine tragfähige Nachnutzung zu sein) einen "Blick über den Kesselrand" Stuttgarts zu werfen, nun bildete sie einen idealen Auftakt für eine Diskussion zur Zukunft des IBM-Areals. Wenn auch in Größe und Lage nicht ganz zu vergleichen, können doch die Lehren, die die beiden Referenten aus Linz und Nürnberg zogen, hilfreich für das Vorgehen in Stuttgart sein: Wesentlich sind ein gutes Konzept mit gemischten Nutzungen, ein Bewusstsein des Eigentümers für die Bedeutung des Areals für die Stadt sowie eine kluge, verantwortungsvolle und zielgerichtete Zusammenarbeit von Kommune, Politik, Eigentümer und Bevölkerung.
Letzteres scheint besonders in Linz gut zu funktionieren - kein Wunder, ist doch die Eigentümerin die Stadt selbst und damit in der Lage, die Nutzung zu steuern. Chris Müller, Direktor für Entwicklung, Gestaltung und künstlerische Agenden, zeigte im ersten Vortrag, wie die Transformation des Großteils 1929-35 von Peter Behrens gebauten Ensembles vonstatten gehen kann:
Einerseits werden die 80.000 Quadratmeter (doppelt so viel wie bei IBM) nur sukzessive entwickelt, die Nutzung wird durch Auswahl der Mieter "kuratiert" (das kann man sich angesichts der großen Nachfrage auch leisten) und die Geschäftsfelder - Kreativ-, Bildungs- und Produktionssektoren - sollen sich zu einem "kollaborativen Konzern" und "fabrizierenden Stadtteil" ergänzen. Das Ensemble bietet dafür gute Gegebenheiten: Es ist nur teilweise denkmalgeschützt, Wettbewerbe für Ergänzungen laufen.
Steiniger und schmerzhafter war der Prozess in Nürnberg - unter anderem verschreckte die Deckelung der Einzelhandelsflächen durch die Stadt einige Interessenten. Planungs- und Baureferent Daniel Ulrich erwartet neben Einzelhandel und Gastronomie eine Mischung aus großen Büros und Kultur-/Kreativflächen sowie Schulen und anderen kommunalen Nutzungen. Und auch hier scheint sich mit Sonae Sierra nun ein einsichtiger Investor gefunden zu haben, der die schrittweise Weiterentwicklung der 285.000 Quadratmeter zur "Stadt in der Stadt" oder zum "Ort der Möglichkeiten" mitträgt.
Man braucht viel Zeit, das gaben beide Referenten dem IBM-Gelände mit auf den Weg. Ganz schnelle Lösungen würden im Desaster enden, warnte Daniel Ulrich, Rückschläge seien unbedingt einzukalkulieren. Wichtig sei es auch, allen Beteiligten - von den Bürgern bis zu den Politikern - über Bilder und Geschichten zu ermöglichen, einen eigenen Bezug zu dem Projekt zu entwickeln.
Während der knappen Vorstellung der Ideen für das IBM-Areal und der folgenden Podiumsdiskussion äußerte Mathias Düsterdick, CEO des Investors Gerch Group, viel Verständnis für die Anliegen der Stuttgarter Architektenschaft, schätzte die drei stattgefundenen Kolloquien als wertvoll ein, erklärte, er habe keine Absicht, den vorliegenden Abbruchantrag umzusetzen, und kündigte einen Wettbewerb unter sechs eingeladenen Büros an - der Stadt sei an "schnellen Ergebnissen" gelegen. Zentrale Anliegen des Podiums waren die vorsichtige Weiterentwicklung der Gebäude und des Areals, die (auch klimagerechte) Wiederherstellung der Grünräume und die Sichtbarmachung dieses selbst vom Publikum großenteils nie besuchten Juwels, beispielsweise durch ein Hochhaus. Düsterdick zeigte sich der "Riesenchance" für Stuttgart bewusst und betonte, man wolle keine Monostruktur, sondern Wohnraum "in allen Preisklassen" und eine "Smart City" mit bis zu 3.000 Einwohnern, mit Kita, Nahversorgung, Arbeitsplätzen und Elektromobilität bzw. Carsharing - da man auf eine neue Straßenbahnlinie wie in Linz aufgrund der Stadtrandlage wohl verzichten müsse. Wichtig für ihn sei jetzt, die Akzeptanz in der Bevölkerung abzuklären; das Publikum schlug dazu vor, nicht nur Vaihinger, sondern die Bewohner von ganz Stuttgart und vom benachbarten Böblingen zu befragen und auch den Tag des offenen Denkmals am 11. September zu nutzen.
Bis der "Garden Campus" - so der momentane Arbeitstitel - allerdings Projektstatus haben wird, gilt es noch viele Details zu klären und weitere Akteure einzubinden, das wurde ganz klar. Oliver Sorg regte an, die Kolloquien weiterzuführen, um das in Stuttgart vorhandene Potenzial zu nutzen; Landesdenkmalpfleger Martin Hahn sah "Licht am Ende des Tunnels". ".
Autor: Dagmar Ruhnau ist Architekturjournalistin aus Stuttgart und freie Redakteurin der db deutsche bauzeitung; www.texthaus.eu