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Das vierte Landschaftsarchitektur-Quartett fand dieses Jahr im Treffpunkt Rotebühlplatz in Stuttgart statt. Mit 160 Teilnehmern war das öffentliche Interesse deutlich höher als in den vergangenen Jahren. Unter dem Titel Regenerations- und Entwicklungsfähigkeit von Stadtstrukturen wurden zwei bedeutende landschaftsarchitektonische Projekte diskutiert: Die Quartiersentwicklung Jungbusch mit der Promenade am Verbindungskanal in Mannheim und die sogenannte Grüne Fuge auf dem Killesberg in Stuttgart.
Nach dem Grußwort von Christof Luz sowie der Projektvorstellung von Michael Glück, beide Mitglieder des Arbeitskreis' Landschaftsarchitektur der Architektenkammer Baden-Württemberg, wurde klar, dass die zwei Projekte auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite der Jungbusch, ehemaliges Rotlichtviertel und bis heute sozialer Brennpunkt, auf der anderen die Weiterentwicklung des „Grünen U“ und der Höhenpark, der schon seit 1939 Spaziergänger zum Flanieren einlädt. Bei genauerer Betrachtung wurden allerdings drei wichtige Gemeinsamkeiten sichtbar: Beide Projekte waren in einen umfangreichen städtebaulichen Planungsprozess integriert, sie reagieren auf Veränderungen im Gefüge ihrer Stadt und schaffen innerstädtische Freianlagen.
Die Promenade am Verbindungskanal wurde vom Landschaftsarchitekten Michael Hink aus Schwaigern sowie den Architekten Ute Meyer und Jochem Schneider gestaltet. Sie bildet den Auftakt unterschiedlicher Aufwertungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der 2007 entstandenen Leitidee „Stadt an zwei Flüssen“. Mit dem Slogan „blau_Manheim_blau“ initiierte die Stadt zusammen mit lohrberg stadtlandschaftsarchitektur aus Stuttgart eine nachhaltige Freiraumentwicklung Richtung Wasser. Am Jungbusch ist der Fokus auf das Hafengelände gerichtet, das bereits erheblich an Bedeutung als Industrie und Handelshafen verloren hat. An den Rändern und in den Zwischenarealen der Häfen soll jetzt ein Nutzungswandel eingeleitet werden. Mit Highlights, wie der vom Architekturbüro Motorplan aus Mannheim gestalteten Popakademie sowie einer Wohnanlage für Studenten, soll für das gesamte angrenzende Stadtquartier ein neuer städtischer Lebensraum mit Zugang zum Wasser geschaffen werden. Mit Hilfe einer von Anfang an integrierten Bürgerbeteiligung in Form von Workshops wurde dieses erste Projekt realisiert.Die „Grüne Fuge“ in Stuttgart ist einer der letzten Bausteine eines mehr als 70 Jahre andauernden und zusammenhängenden Planungsprozesses innerhalb der Stadt. Mit der vom Landschaftsarchitekten Hermann Mattern 1939 gestalteten Reichsgartenschau wurde der Weg für alle folgenden Planungen bereitet. Der Landschaftsarchitekt Hans Luz schaffte im Rahmen der Internationale Gartenschau 1993 unter dem Leitbild „Grünes U“ die Verbindung von sechs wichtigen Parkanlagen in Stuttgart. Es entstand ein innerstädtisches Naherholungsgebiet. Die Arbeitsgemeinschaft Architekturbüro Pesch & Partner/Landschaftsarchitekt Dr. Lohrberg entschied 2004 den städtebaulichen Ideenwettbewerb „ Zukunft Killesberg – Messenachnutzung“ für sich. Gegenstand des Wettbewerbs war die städtebaulich-landschaftliche Konzeption für die Nachnutzung des Messegeländes. Dabei sollte das „Grüne U“ angemessen berücksichtigt und die große zusammenhängende Parklandschaft weitergeführt werden. 2008 beauftragte die Stadt Stuttgart nach einem VOF-Verfahren die Arbeitsgemeinschaft Pfrommer + Roeder Landschaftsarchitekten aus Stuttgart/Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten aus München für die Gestaltung einer ergänzenden Parkanlage.
Robert Schäfer, Chefredakteur von Garten + Landschaft sowie Topos übernahm die Moderation der Podiumsdiskussion zwischen Matthias Hahn, Baubürgermeister, Stuttgart, Professor Christiane Thalgott, Stadtbaurätin a.D., München und Professor Hinnerk Wehberg, Freier Landschaftsarchitekt, Hamburg.
Christiane Thalgott betonte, dass eine vorausdenkende Planung wichtig sei, um Veränderungen im Stadtgefüge zum Positiven zu nutzen. Hier läge für die Städte eine Chance, Zukunftsperspektiven zu eröffnen. An den innerstädtischen Freiraumplanungen Stuttgarts werde deutlich, dass solche Prozesse langwierig seien und dass jede Einzelmaßnahme auf die vorhergehende aufbaue. Professor Arno Sighart Schmid stellte heraus, dass die Planungsprozesse nicht einfach ein Ende fänden, sondern wie am Beispiel Grüne Fuge, weitergedacht werden müssten, demnächst bis zum Bärenschlössle. Das Mannheimer Projekt stecke dagegen noch in den Kinderschuhen. Es zeige allerdings schon jetzt das Bestreben Mannheims, sich grundlegend und nicht nur an dieser Einzelstelle verändern zu wollen, so Thalgott. Strukturwandel sei eben Wandel einer Stadtgesellschaft und darauf reagiere die Freiraumplanung. Damit diese Reaktion nicht zu spät erfolge, müsse die Stadtentwicklung unter prospektiven Gesichtspunkten beobachtet werden.
Gegenüber dem Stadtteil Jungbusch bestanden tiefverwurzelte Vorurteile. Dieses Negativ-Image sollte durch die landschafts- und stadtplanerischen Maßnahmen in ein neueres „hipperes“ ersetzt werden. Wehbergs spontane Umfrage unter Mannheimer Taxifahrern kam zu dem Ergebnis, dass sich nur jemand im Jungbusch wohlfühlen könne, der dort seit jeher wohnhaft sei. Ein „echter“ Mannheimer meide das Viertel. Dem konnte der Stuttgarter Baubürgermeister Matthias Hahn als gebürtiger Mannheimer – im Rückblick auf seine Jugend – nur zustimmen. So ein Vorurteil, das von Generation zu Generation in leicht veränderter Form weitergegeben wird und sich ins Bewusstsein der Menschen eingeprägt hat, steht einer schnellen städtebaulichen Umwertung entgegen. Thalgott und Wehberg waren sich aber einig, dass für jemanden, der unvoreingenommen in den Jungbusch eintaucht, eine „fantastische, lebendige und spannende urbane Situation“ bereitstehe. Ob das Vorurteil mit der Realität übereinstimmt, wäre noch zu prüfen. Das neue Image, das über Broschüren zum Jungbusch veröffentlicht wurde, stimmte laut Wehberg jedenfalls auch nicht. Die Promenade am Stichkanal sei eine Mogelpackung, da zum Beispiel der Stichkanal eigentlich „eine trübe Pfütze“ sei.
Bei dem gemeinsamen Rundgang fiel auf, dass die Atmosphäre am Stichkanal doch etwas betrübt sei. Woher rühren diese Empfindungen? Wehberg sieht das Problem darin, dass es an der Promenade am Verbindungskanal zwar theoretisch ein Quartiersmanagement gäbe, aber die Pflege des Freiraums doch stark vernachlässigt sei, man sich nicht aktiv um den neuen Freiraum am Wasser kümmere. Auch Professor Brigitte Schmelzer stellte fest, dass die harten Materialien, die passend zu dem „rauen“ Ort ausgesucht wurden, der starken Beanspruchung nicht dauerhaft standhielten. Dies stehe ganz im Widerspruch zu den Ambitionen, mit denen das Projekt gestartet wurde. Im Vorfeld des Projektes gab es eine rege durch die Stadtplanung geförderte Bürgerbeteiligung. Thalgott sieht nur eine Chance und die lautet: Weitermachen. Aufgrund der langwierigen Prozesse in der Freiraumplanung stünde Mannheim noch alle Türen offen, man stehe ja noch ganz am Anfang. Das Projekt „Grüne Fuge“ ist mit wesentlich weniger aktiver Bürgerbeteiligung lanciert worden. Ob sie sich nach Fertigstellung von Beginn an bei der Stadtöffentlichkeit und den Nutzern besser bewährt, muss sich erst noch zeigen. Aufgrund der homogenen Umgebung und dem schon lange andauenden Planungsprozess wird der derzeitige Strukturwandel am Killesberg sicherlich leichter umzusetzen sein.
Leserbrief vom 5. April zum Thema "Ergebnis langfristiger Planungsprozesse"
Veränderte Rahmenbedingungen – eine zurückgehende hafenspezifische Nutzung des Kanals und ein seit Anfang der 90er Jahre einsetzender Strukturwandel im Jungbusch – eröffneten am Verbindungskanal im Jungbusch Perspektiven für eine sukzessive Neuordnung.
Ein neuer Park für Stuttgart: Auf dem Stuttgarter Killesberg entsteht die „Grüne Fuge“, der größte und wichtigste neue Park der Stadt Stuttgart in den vergangenen 18 Jahren.